Stuttgarter Zeitung, 02.06.2007
Schulbehörde möchte Lehrer erneut anhören
KARLSRUHE/HEIDELBERG (joe). Nach seinem Sieg vor dem Verwaltungsgerichtshof
Mannheim wird der von einem Berufsverbot bedrohte Heidelberger Lehramtsbewerber
Michael Csaszkoczy von dem Regierungspräsidium Karlsruhe erneut zu einer
Anhörung geladen. Bei dem Gespräch, das diesen Monat geplant sei, solle es
erneut um "offene Fragen zur Treuepflicht" gehen, teilte Csaszkoczys Anwalt
gestern mit. Der VGH hatte im März festgestellt, die Behörden hätten die
Übernahme des 36-Jährigen in den Schuldienst 2004 zu Unrecht abgelehnt und das
Land aufgefordert, unter Beachtung des Urteils erneut über dessen Einstellung zu
entscheiden. Die ihm zur Last gelegten Vorwürfe seien nicht geeignet, Zweifel an
dessen Verfassungstreue zu begründen, so der VGH.
Auf Grund des Urteils habe man entschieden, Csaszkoczy noch einmal zu einem
Gespräch zu laden. Alles Weitere werde sich danach entscheiden, erklärte der
Sprecher des Regierungspräsidiums auf Anfrage. Csaszkoczys Unterstützer und er
selbst kritisierten die Ladung. Er halte das Gespräch für überflüssig, erklärte
der Realschullehrer gegenüber einer Lokalzeitung; alle Fragen zu seiner
Verfassungstreue seien hinreichend geklärt. Sein Solidaritätskomitee forderte
die Behörden auf, ihn unverzüglich einzustellen.
:::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::
Mannheimer Morgen, 01. Juni 2007
Antifa-Lehrer darf weiter auf Schuldienst hoffen
Regierungspräsidium Karlsruhe lädt Michael Csaszkoczy nach VGH-Urteil zu
Gespräch ein
Von unserem Redaktionsmitglied Jan Kuhlmann
Mannheim. Der bei der linken Antifa engagierte Lehrer Michael Csaszkoczy kann
weiter auf eine Übernahme in den baden-württembergischen Schuldienst hoffen. Das
Regierungspräsidium Karlsruhe habe Csaszkoczy für Juni zu einem
Einstellungsgespräch eingeladen, teilte ein Sprecher der Behörde gestern dieser
Zeitung mit.
Damit setzt sie ein Urteil des Verwaltungsgerichtshofes (VGH) in Mannheim um.
Das Oberschulamt Karlsruhe hatte Csaszkoczy 2002 als Bewerber abgelehnt, weil es
wegen seines antifaschistischen Engagements Zweifel an seiner Verfassungstreue
hatte. Der VGH entschied jedoch im vergangenen März, die Entscheidung sei zu
Unrecht gefallen. Das Oberschulamt habe die Persönlichkeit Csaszkoczys zu wenig
gewürdigt. Allein sein Engagement bei der Antifa genüge nicht, um Zweifel an
seiner Verfassungstreue zu rechtfertigen. Gegen das Urteil legte das Land keine
Rechtsmittel ein.
Wegen seiner politischen Arbeit hatte ihn auch das Land Hessen kurz nach seiner
Einstellung wieder aus dem Schuldienst entlassen. Dort unterrichtete der Lehrer
für Deutsch, Geschichte und Kunst an einer Heppenheimer Realschule.
Das Einstellungsgespräch mit dem Bewerber werde "wie jedes andere Gespräch"
ergebnisoffen geführt, sagte der Sprecher des Regierungspräsidiums Karlsruhe
weiter. Csaszkoczy zeigte sich dagegen skeptisch. "Ich halte das Gespräche für
überflüssig, weil bereits schon eins mit mir geführt wurde", sagte er. Alle
offenen Fragen zu seiner Verfassungstreue seien hinreichend geklärt worden. "Ich
wüsste nicht, was es noch Neues zu besprechen gibt."
Der VGH hatte in seinem Urteil unter anderem auf Csaszkoczys Verhalten im
Referendariat verwiesen. Sein zweites Staatsexamen schloss er mit der Note 1,8
ab. Wegen seines Engagements bei der Antifa geriet er aber in das Visier des
Verfassungsschutzes.
:::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::::
Meier - das stadtmagazin, Juni 2007
Ein Gespräch mit Bürgerschreck Michael Csaszkoczy über
Karriere
Zu einem Gespräch über Gesellschaft, Ideologien, Macht und das gegen ihn
angestrengte Berufsverbotsverfahren traf MEIER den Lehrer Michael Csaszkoczy in
Heidelberg.
Michael Csaszkoczy fällt auf dem Neuenheimer Markt am Samstagmorgen auf, Dort,
wo Salatgurken aus Holland im Sommer zwei Euro fünfzig kosten und Cayennes und
SLCs um die wenigen Parkmöglichkeiten feilschen. Wir trinken einen Cappuccino
und verschwinden in seinem Hinterhof um die Ecke, wo eines der letzten, zwar
verfallenen, aber bezahlbaren Häuser in Neuenheim steht. Schön, ruhig,
beschaulich, genauso eigentlich, wie die da draußen auf dem Markt das eigentlich
wollen, Vogelgezwitscher und die sanfte Stimme von Michael Csaszkoczy,
Heidelberger Lehrer und seit drei Jahren wegen seiner Mitgliedschaft bei der
antifaschistischen Linken in ein Berufsverbotsverfahren hineingezogen.
-----------------------------------------------
MEIER: Wie weit sind Sie mit Ihrer Doktorarbeit?
Michael Csaszkoczy: Weniger weit als ichâ??s gerne hätte, aber es wird schon
sehr konkret.
MEIER: Worum geht es?
Csaszkoczy: Es geht um Jugendkulturen und um Geschichtsbewusstsein. Es geht zum
Beispiel darum, wo sich Geschichtsbewusstsein in Jugendkulturen manifestiert, in
welcher Weise es dort als kulturelles Kapital genutzt wird. Es geht auch um
historische Vergleiche wie zum Beispiel der zwischen der Wandervogelbewegung zu
Beginn des 20. Jahrhunderts und den Grufties.
MEIER: Nutzen wir das kulturelle Kapital der Jugendbewegungen richtig?
Csaszkoczy: Ich scheue mich davor, daraus pädagogisierende Konsequenzen zu
ziehen. Das Fatalste für Jugendkulturen ist eher ihre ständige Vereinnahmung
durch die Kulturindustrie und die Pädagogik â?? das ist natürlich der Tod für
jede Jugendkulturbewegung.
MEIER: Können wir ein wenig über Ihre Kindheit reden?
Csaszkoczy: Können wir auch.
MEIER: Was war Ihr erster Berufswunsch?
Csaszkoczy: Zirkusclown.
MEIER: Wurde daraus wenigstens der Klassenclown?
Csaszkoczy: Ich war am KFG, da war das gar nicht so drin, ich war auch kein
schlechter Schüler, eher dann ein Außenseiter.
MEIER: Wann haben Sie begonnen aufzufallen?
Csaszkoczy: Schwierige Frage â?? eigentlich habe ich mich nie bewusst bemüht,
aufzufallen. Angefangen zu engagieren habe ich mich, als die Republikaner in
Baden-Württemberg ins Parlament einzogen. Richtig angefangen hat meine
politische Bewusstwerdung nach einer Veranstaltung mit Max Oppenheimer, der auch
KFG-Schüler war, er hat von seinen Erfahrungen in der NS-Zeit erzählt.
MEIER: Gibt Ihre Familiengeschichte etwas für Ihr Engagement her?
Csaszkoczy: Nein. Ich kannte meinen Großvater nicht mehr. Ein linkes Engagement
war in meiner Familie eher außerhalb des Diskutierbaren.
MEIER: Wurde und wird zuhause über Politik geredet?
Csaszkoczy: Das Verhältnis ist okay, aber über Politik reden mein Vater und ich
nicht mehr.
MEIER: Wie kam denn der Lehrerberufswunsch zu Ihnen?
Csaszkoczy: Als ich zu studieren angefangen hatte, wurde uns geraten, offen zu
sein, da hatte ich erst mal rumstudiert. Der Lehrerberuf bot mir dann was
Konkretes und Bodenständiges.
MEIER: Und jetzt sind Sie als Absolvent mit vorzüglichen Noten im Studium und
Referendariat seit dreieinhalb Jahren so etwas wie ein Verfassungsfeind. Wie hat
das die Menschen um Sie verändert?
Csaszkoczy: Das eine ist das, was in der Öffentlichkeit berichtet wird. Im
alltäglichen Umgang, vor allem hier in Heidelberg, wunderten sich viele. Selbst
CDU-Hardliner wunderten sich, weil sie mich ja kennen, genauso die Verkäuferin
in der Bäckerei. Das Problem ist, dass in Internetforen ebenso wie in nächtliche
Kneipengesprächen jeder denkt, er sei jetzt aufgerufen, auch seinen Senf über
meine Person abzugeben â?? ganz gleich, ob er irgendeine Ahnung hat oder nicht.
MEIER: Was hat das letzte Urteil geändert?
Csaszkoczy: Jetzt wissen ja alle, dass nicht ich, sondern der Staat sich dafür
rechtzufertigen hat, dass ich meinen Beruf nicht ausüben darf.
MEIER: Sind Sie so was wie ein Politstar?
Csaszkoczy: Nein, aber im ersten Prozess fand ich richtig abgeschmackt, dass der
Regierungsdirektor gesagt hat, dass er mich interessant finde, mich auch zu
einer Abendgesellschaft zu sich einladen würde, seine Kinder aber nicht von mir
unterrichtet haben wolle. Das war eklig, aber auch symptomatisch.
MEIER: Welches Problem haben er und viele Eltern?
Csaszkoczy: Das liegt am System, nicht an den Eltern. Ich habe das bei der
Arbeit nie von Eltern erfahren. Ich habe immer nur positive Rückmeldungen
bekommen von Eltern, deren Kinder ich unterrichtet habe. Auch wenn mich das
Kollegium warnte, ich solle mich gegen die Vorurteile der Eltern wappnen. Es
kamen sehr seriöse und gesetzte Leute zu mir und waren sehr offen. Mir schien,
dass die sogar dankbar waren, jemanden zu haben, der nicht der Lehrernorm
entspricht.
MEIER: Warum sind sich Lehrer so ähnlich?
Csaszkoczy: Die Berufsverbotspraxis hat seit den 1970er Jahren zu einem enormen
Anpassungsdruck geführt. Da es keinen Kanon gibt, der festlegt, was zu tun und
zu lassen ist, versucht man schon mal, Dinge einfach nicht zu tun, die eventuell
Probleme schaffen könnten.
MEIER: Sie sind ja Beamtenanwärter, haben Sie damit ein Identifikationsproblem?
Csaszkoczy: Über Sinn und Unsinn des Beamtentums lässt sich trefflich streiten,
aber als Beamter auf Widerruf habe ich natürlich meinen Eid geleistet.
MEIER: Ohne doppelten Boden?
Csaszkoczy: Ja. Nur, man kommt ja leicht in die Rolle, das Verhältnis zur
Verfassung als quasireligiöses Bekenntnis aufzufassen, was ich nicht angebracht
finde. Viele Inhalte der Verfassung wurden zuletzt von radikalen Linken
verteidigt. Heinemann antwortete mal auf die Frage, ob er Deutschland liebe,
dass er seine Frau liebe. Das finde ich angemessen.
MEIER: Die dauernde Ablehnung geht ja schon an die Substanz und macht traurig.
Haben Sie daran gedacht, sich anzupassen?
Csaszkoczy: Nein. Es wurde von mir zum Beispiel verlangt, dass ich dem Satz â??â?¦
Militanz ist für uns ein legitimes Mittel im Kampf um Befreiung â?¦â? abschwöre.
Das hätte ich als abgeschmackt gefunden gegenüber Leuten, die im
Nationalsozialismus Widerstand geleistet haben.
MEIER: Zu Diskutieren war da nicht drin? Die müssen doch auch verstehen, dass
Militanz an sich nicht gut oder schlecht ist, sondern dass es darauf ankommt,
was man damit machtâ?¦
Csaszkoczy: Der Verfassungsschutz hatte damals über das Innenministerium
gedrängelt, mir Berufsverbot zu geben.
MEIER: Wer hat Ihnen die Hand gehalten?
Csaszkoczy: Es gab damals viele, die mir mehr bedeuteten als die Leute vom
Kultusministerium. Alleine hält man das nicht durch. Es wurde dann auch ein
Projekt, das nicht mehr in erster Linie mit meiner Karriere zu tun hatte.
MEIER: Haben Sie sich nicht auch gefallen?
Csaszkoczy: Es hat eher meinen Kampfgeist angestachelt. Es hat mich nicht
gewundert, dass der Geheimdienst sich so verhält. Auch solche Geschichten wie
Oettingers Filbinger-Rede zeigen, dass die nationalsozialistische Vergangenheit
eben noch lange nicht vergangen ist â?? bis hinein in die Führungskreise dieser
Gesellschaft. Das erfordert nach wie vor kritisches Engagement und Widerspruch.
MEIER: Wie sehen Sie, dass die Kinder angepasster, letztlich unpolitischer
werden und dass sie zunehmend an sozialer Kompatibilität und wirtschaftlichem
Erfolg gemessen werden?
Csaszkoczy: Fatal für die Chancen der Heranwachsenden, aber auch für unsere
Gesellschaft. Nach der Totalitarismus-Doktrin, von der der Verfassungsschutz
lebt, ist Links gleich Rechts ist und nur die Mitte gut. Was die Grünen noch vor
ihrem Regierungsantritt in ihrem Programm stehen hatten, wäre heute schon ein
Fall für den Verfassungsschutz: Zum Beispiel die Abschaffung der Bundeswehr und
der Geheimdienste.
MEIER: Werden wir vereinheitlicht?
Csaszkoczy: Alle wissen: Die Gesellschaft braucht Veränderung, denn so wie sie
läuft, läuft sie nicht gut. Aber alles, was über den Status Quo hinauszudenken
wagt, wird vom Staat zurechtgestutzt, damit Widerstand unmöglich wird.
MEIER: Respekt?
Csaszkoczy: Kommt darauf an wovor? Vor Menschen und Menschlichem immer. Viele
wundern sich wegen meines Outfits, dass ich ein Mensch bin, der durchaus auf
Konventionen Wert legt.
MEIER: Wandeln wir uns nicht vielleicht von einer ideologisch geprägten
Gesellschaft zu einer von Ideen geprägten Gesellschaft?
Csaszkoczy: Dafür ist der Marxismus in meinem Denken doch zu präsent. Es geht
letztlich in einer Gesellschaft um ganz reale Machtinteressen, und die werden
auch durchgesetzt.
MEIER: Ist ein guter Linker nicht immer auch ein guter Liberaler?
Csaszkoczy: Ja, das kommt auf die Auffassung von liberal an. Im, Sinne von
freiheitsliebend ja.
MEIER: Ist es nicht so, dass das Linke ein System gegen die Unfähigkeit zur
Freiheit anbietet?
Csaszkoczy: Ich sehe nach wie vor die Schlagwörter der Französischen Revolution
für zentral an. Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, wobei ich das letzte mit
Solidarität übersetzen würde.
MEIER: Bedeutet Karriere links nicht, dass man nicht allein, sondern nur
gemeinsam Karriere macht.
Csaszkoczy: Das allein wäre freilich illusorisch, da muss man schon zugleich
seinen eigenen Platz finden.
MEIER: Woher kommt die ästhetische Nähe zu Rechts?
Csaszkoczy: So generell würde ich diese Nähe ja bestreiten. Im Großen und Ganzen
ist linke Ästhetik mit rechter durchaus inkompatibel. Was es aber gibt, ist ein
gängiges jugendkulturelles Spiel von Aneignung und Wiederaneignung kultureller
Codes.
MEIER: Leben wir in einem Rechtsstaat?
Csaszkoczy: Ja. Wobei Recht und Gerechtigkeit durchaus nicht in Eins fallen
müssen. Gerade in meinem Berufsverbotsverfahren hat sich ja gezeigt, dass auch
von staatlichen Stellen Unrecht geschieht. Nicht immer allerdings wird es, wie
in meinem Fall, korrigiert.
MEIER: Wie geht es idealerweise weiter?
Csaszkoczy: Idealer Weise werde ich bald als Lehrer arbeiten. Wenn das Land sich
nichts neues ausdenkt, mich nicht anzustellen, was dazu führen würde, dass alles
von vorne losgehen würde.
MEIER: Dann orientieren Sie sich um?
Csaszkoczy: Ich habe ja schon viel gelernt in den Jahren, schreibe die
Doktorarbeit. Klein beigeben werde ich aber sicher nicht.
MEIER: Und wenn jetzt die Stelle kommt fürâ??s nächste Schuljahr
Csaszkoczy: Gut.
MEIER: Reihenhaus, Kinder, Kombi,...
Csaszkoczy: Nichts gegen all das. Ich glaube dennoch, dass ich mich wohler
fühlen werde inmitten von Leuten, die sich um Veränderung der Gesellschaft
bemühen und auch jetzt schon anders leben wollen.
MEIER: Immer am Rande der Mitte?
Csaszkoczy: Ich erinnere mich an Peter Gingold, einen jüdischen Kommunisten, der
in der Resistance gekämpft hat und der letztes Jahr mit 90 Jahren starb. Er
erzählte mal, dass er immer noch gelegentlich in der U-Bahn schwarz fährt, um
das Gefühl der Rebellion und Widerstands zu haben. Ich finde das sympathisch.
------------------------------------
Michael Csaszkoczy - Doktor statt Lehrer?
Michael Csaszkoczy ist 37, Heidelberger, Lehrer, Mitglied der antifaschistischen
Linken und seit drei Jahren bundesweiter Medienliebling wegen eines
Berufsverbotsverfahrens. Denn das Kultusministerium verweigert ihm eine längst
überfällige Stelle. Vor Gericht wurde jetzt festgestellt, dass er sich nichts
vorzuwerfen hat. Jetzt ist der Staat wieder dran, sich entweder was Neues
auszudenken, um ihn aus der Schule zu halten, oder um ihm die Beamtenstelle
anzubieten, für die er hart gearbeitet hat und die es ihm ermöglicht, seinen
Beruf auszuüben. Einstweilen wurde er Stipendiat der Hans-Böckler-Stiftung und
schreibt an einer Doktorarbeit.
Interview: Erik Schmid