Neubaustrecke Wendlingen-Ulm ist unwirtschaftlich und darf nicht gebaut werden

Zur Presseberichten über die Nutzen-Kosten-Berechnung für die Neubaustrecke Wendlingen-Ulm erklären Winfried Hermann, Vorsitzender im Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, und Dr. Anton Hofreiter, Sprecher für Verkehrspolitik:

Jetzt ist die Katze aus dem Sack: Die Neubaustrecke Wendlingen-Ulm ist unwirtschaftlich und darf deshalb nicht gebaut werden. Sie kommt nur auf ein Nutzen-Kosten-Verhältnis von 0,92 ohne Güterzüge, die dort nie fahren werden. Laut Bundeshaushaltsordnung darf ein Projekt aber nur gebaut werden, wenn der Nutzen mindestens so hoch ist wie die Kosten, ausgedrückt durch ein Nutzen-Kosten-Verhältnis von mindestens 1,0.

Wir fordern Verkehrsminister Ramsauer daher auf, bei der für morgen angekündigten Vorstellung der Bedarfsplanüberprüfung reinen Tisch zu machen und das Projekt Neubaustrecke Wendlingen-Ulm aus dem Bedarfsplan zu streichen.

Offiziell gibt das Bundesverkehrsministerium ein Nutzen-Kosten-Verhältnis von 1,2 an. Dieser Wert wird dadurch erzielt, dass angeblich 17 "leichte Güterzüge" über die Strecke fahren sollen. Für diese Züge gibt es keinen Markt, und selbst wenn diese 17 Güterzüge tatsächlich fahren sollten, könnten sie ohne Probleme die Altstrecke benutzen. Dort gibt es genügend freie Trassen, da der Güterverkehr dort seit Jahren rückläufig ist. Die Züge könnten sogar schwerer sein als auf der Neubaustrecke, da die Steigungen geringer sind.

Eine Mischverkehrsstrecke für ICE-Verkehre und Güterzüge mit 17 leichten Güterzügen zu begründen, ist ohnehin ein schlechter Scherz. Denn ohne Güterzüge könnte die Neubaustrecke mit wesentlich weniger Tunneln und höheren Steigungsparametern geplant werden, was Milliarden einsparen würde.



HINTERGRUND:

Projekte mit einem Nutzen-Kosten-Verhältnis unter 1, bei denen die Kosten den Nutzen übersteigen, verletzten das Gebot der Wirtschaftlichkeit, das in § 7, Abs. 2 der Bundeshaushaltsordnung festgelegt ist. Darin heißt es: "Für alle finanzwirksamen Maßnahmen sind angemessene Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen durchzuführen. Dabei ist auch die mit den Maßnahmen verbundene Risikoverteilung zu berücksichtigen."

Offiziell gibt das Bundesverkehrsministerium ein Nutzen-Kosten-Verhältnis von 1,2 an. Dieser Wert wird dadurch erzielt, dass angeblich 17 "leichte Güterzüge" über die Strecke fahren sollen. Für diese Züge gibt es keinen Markt und selbst, wenn diese 17 Güterzüge tatsächlich fahren sollten, könnten sie ohne Probleme auf der Altstrecke durch das Filstal mit der Geislinger Steige geführt werden. Dort gibt es genügend freie Trassen, da der Güterverkehr dort seit Jahren rückläufig ist. Und die Züge könnten sogar schwerer sein als auf der Neubaustrecke, da die Steigungen geringer ausfallen.

Eine Mischverkehrsstrecke für ICE-Verkehre und Güterzüge mit 17 leichten Güterzügen zu begründen, ist ohnehin ein schlechter Scherz. Denn ohne Güterzüge könnte die Neubaustrecke mit wesentlich weniger Tunneln und höheren Steigungsparametern geplant werden, was Milliarden einsparen würde. So hat man es z.B. bei der NBS Frankfurt - Köln gemacht, die nur durch den ICE 3 befahren werden kann, dafür aber durch die Mittelgebirge Westerwald und Taunus mit vergleichsweise geringem Tunnelanteil führt.

Mit dem gleichen Trick wurde die Wirtschaftlichkeit für die Neubaustrecke Nürnberg - Ingolstadt - München getürkt. Sie betrug bei der politischen Beschlussfassung zum Bundesverkehrswegeplan 1985 ebenfalls nur 1,2 (siehe Antwort 24 in Drs. 16/4783) und unterstellte ein 1999 ein Betriebsprogramm von 80 Güterzügen. Es fährt dort heute kein einziger Güterzug, weder tagsüber, wo es wegen eines Begegnungsverbots mit schnellen Reisezügen durch DB Netz untersagt ist, noch nachts, wo die Strecke für leichte Güterzüge befahrbar wäre, für die es aber offensichtlich keinen Bedarf gibt (siehe Antwort 7 und 8 in Drs. 17/3311). Damit handelt es sich bei der NBS Nürnberg - Ingolstadt - München um einen "Schwarzbau", da er mit falschen Zahlen die Wirtschaftlichkeitsschwelle überschritten hat. Dieser Verstoß gegen Haushaltsrecht nach der gleichen Methode sollte kein weiteres Mal zugelassen werden.
 
10.11.2010 (mk)