Landtagsfraktion DIE
GRÜNEN Kopie:
Hessischer Ministerpräsident Roland Koch
Hessischer
Landtag
Georg-August-Zinn-Str. 1
Schlossplatz
1-3
D-65183 Wiesbaden
D-65183 Wiesbaden
Kopie: Landtagsfraktionen Bayern, Baden-Württemberg, Niedersachsen und
Sachsen
Betreff: Vertrauen schaffen und deshalb in Hessen IFG beschließen
Sehr geehrter Herr Frömmerich, sehr geehrte Damen und Herren,
ich beziehe mich auf die Pressemeldung der GRÜNEN: "Informationsfreiheit
macht Verwaltung für Bürger transparenter" (Anlage 1) in dem von der positiven
Reaktion der überwiegenden Mehrheit der Anzuhörenden zum Gesetzentwurf für ein
Informationsfreiheitsgesetz (IFG) berichtet wird.
Weltweit kommt die Verwaltungstransparenz bisher in mehr als 90 Staaten
(Anlage 3) mit mehr als ca. 3,5 Milliarden Menschen in Europa, (Nord- und
Mittel-)Amerika, Australien, und Asien (Japan, Indien, Indonesien, China)
zugute. Nachdem die russische Duma am 22.1.09 ein IFG beschlossen hat und
Weißrussland an einem Gesetzentwurf arbeitet fehlt in Europa die
Verwaltungstransparenz im Wesentlichen nur in 5 deutschen Bundesländern,
darunter Hessen (Anlage 3 und 6).
Die 17. Konferenz der Informationsfreiheitsbeauftragten am 3./4. Dezember
2008 in Schwerin fordert: Die neue Konvention des Europarats zur
Informationsfreiheit so bald wie möglich unterzeichnen und ratifizieren! (Anlage
7)
Besonders peinlich ist das Fehlen der Informationsfreiheit für Hessen, das
einst der Pionier beim Datenschutz war und durch die CDU in eine
Schlusslichtposition abgewirtschaftet wurde. Außerdem hat Hessen 1993 den
Vorschlag gemacht, den Zugang zu Dokumenten der öffentlichen Verwaltung im
Grundgesetz zu verankern. Dieser Vorschlag hat in der Verfassungskommission von
Bund und Ländern im Jahre 1993 im Zuge der Diskussion um eine Änderung des
Grundgesetzes im Rahmen der Wiedervereinigung schon eine Mehrheit erreicht,
allerdings wurde die notwendige zweidrittel Mehrheit damals noch nicht erreicht
(BT Drucksache 12/6000, Kapitel 3.4).
Die Informationsfreiheit (einschließlich des Zugangs zu Dokumenten der
öffentlichen Verwaltung) ist Teil der Meinungsfreiheit und auch durch
international anerkannte Menschenrechte speziell des Artikel 19 des
Internationaler Paktes über bürgerliche und politische Rechte (IPbürgR, BGBl.
1973 II S. 1534) geschützt. Diesem Pakt ist Deutschland beigetreten, verletzt
ihn aber bisher in 5 Bundesländern.
In ca. 50 Staaten ist der Zugang zu Dokumenten der öffentlichen Verwaltung
in der Verfassung verankert. Weitere ca. 50 Staaten haben dieses Menschenrecht
gesetzlich verankert. Damit haben ist diese Menschenrecht in mehr als die Hälfte der
Staaten in der Welt realisiert das gemäß Art. 59 Abs. 2 GG Bestandteil des Bundesrechts ist.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat am 14.4.2009 im Urteil
Nr. 37374/05 by TÁRSASÁG A SZABADSÁGJOGOKÉRT ./. Hungary den Zugang zu
Dokumenten der öffentlichen Verwaltung als Menschenrecht anerkannt (Anlage
4).
Artikel 46 der europäischen Konvention für Menschenrechte lautet "Die
Hohen Vertragsparteien verpflichten sich, in allen Rechtssachen, in denen sie
Partei sind, das endgültige Urteil des Gerichtshofs zu befolgen."
Über die Grenzen der Rechtskraft hinaus entfalten
EGMR-Urteile,
insbesondere solche, die gegen andere Mitgliedstaaten ergangen
sind,
eine weitergehende, fallübergreifende Orientierungswirkung
oder
„normative Leitfunktion“ für deutsche Behörden. Die
Bindungswirkung
des EGMR erstreckt sich nach der Entscheidung BVerfG 2 BvR
1481/04 des
Verfassungsgerichtes (Punkt 3) auf alle staatlichen Organe:
"Die
Bindungswirkung einer Entscheidung des EGMR erstreckt sich auf
alle
staatlichen Organe (Gerichte, Regierungen und Parlamente)
und
verpflichtet diese grundsätzlich, im Rahmen ihrer Zuständigkeit
und
ohne Verstoß gegen die Bindung an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3
GG)
einen fortdauernden Konventionsverstoß zu beenden und
einen
konventionsgemäßen Zustand herzustellen." Damit müssen sowohl
der
Petitionsausschuss, die Regierung und die Landtage sich mit
diesem
Menschenrecht auseinandersetzen. Es wäre verfassungswidrig
die
Rechtsprechung des EGMR einfach ignorieren.
Im Artikel 20 GG steht: "Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus" und die
"vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an" (das von der gewählte
Volksvertretung beschlossene) "Gesetz und Recht gebunden". Damit ist auch in
Deutschland eine Demokratie europäischen Typs möglich, wenn die Abgeordneten nur
wollen und sich getrauen.
Mit freundlichen Grüßen
Walter Keim
Anlagen:
Antwort: 29.20.09: Abgelehnt.