Betreff: Neueste Entwicklungen beim Informationszugang zu amtlichen Dokumenten
Von: Walter Keim <walter.keim@gmail.com>
Datum: 17.06.2012 20:23
An: Christina Prinzhorn <c.prinzhorn@sibeth.com>
CC: "Dr. Elisabeth Musch IFG evaluation" <musch@ingfa-speyer.de>
BCC: =Institut_für_Gesetzesfolgenabschätzung_und Evaluation <info@ingfa-speyer.de>, piesker@ingfa-speyer.de, sicko@ingfa-speyer.de, ziekow@ingfa-speyer.de

Sehr geehrte Frau Prinzhorn,

ich beziehe mich auf die "Evaluation des Gesetzes zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes – Informationsfreiheitsgesetz des Bundes (IFG)" von Frau Dr. Musch in der Sie auf Seite 47 so zitiert werden "Das universelle Vertragsvölkerrecht (UN-Charta, AEM und IPbpR) enthält keine Pflicht zur Gewährleistung des Zugangs zu amtlichen Dokumenten" mit Hinweis auf Ihre Veröffentlichung "Prinzhorn, Christina: Der Grundsatz des öffentlichen Zugangs zu amtlichen Dokumenten aus der Perspektive des internationalen Rechts, materiell-rechtliche Vorgaben
durch das internationale Recht für Informationszugangsrechte in den nationalen
Rechtsordnungen Europas, 2009."

Leider habe ich nur die Magisterarbeit aus dem Jahre 2006 zugänglich "The Principle of Public Access to Official Documents - Implications from International Law concerning the Implementation within the National Legal Systems of the Member States of the European Union" in der jedoch differenziert die Frage des Menschenrechtscharakters des Zugangs zu amtlichen Dokumenten diskutiert wird.

Ich schreibe Ihnen um die neuesten Entwicklungen aufzuzeigen.

Auif dem Material zur Informationszugangsfreiheit, 10. Ostsee-NGO Forum 10. Ostsee-NGO Forum wirde die Rolle internationaler Gesetzgeber und ihr Einfluss auf die nationale Gesetzgebung über Informationszugang (PowerPoint, pdf) untersucht.

Im "General Comment No. 34 on Article 19 of the ICCPR" 2011 (Internationaler Paktes über bürgerliche und politische Rechte, Zivilpakt) bestätigt (Anlage http://www2.ohchr.org/english/bodies/hrc/comments.htm):

"18.   Article 19, paragraph 2 embraces a general right of access to information held by public bodies. Such information includes all records held by a public body, regardless of the form in which the information is stored, its source and the date of production."
"19.   (...) States parties should also enact the necessary procedures, whereby one may gain access to information, such as by means of freedom of information legislation."
Das Menschenrechtskomitee der UNO (UN Human Rights Committee) entschied dass Artikel 19 (3) des Zivilpaktes (Anlage https://www.right2info.org/international-standards#section-1) ein individuelles Recht von Individen und Presse enthält, behördliche Informationen zu bekommen, ohne ein berechtigtes Interesse nachzuweisen (z. B. Beschwerde Nr. 1470/2006 Toktankunov v. Kyrgyzstan, Anlage http://right2info.org/cases#section-6).

Auch die UN, OSZE und AOS Sonderbeauftragten für den Schutz der Meinungsfreiheit bestätigen in ihrer gemeinsamen Erklärung vom 6.12.2004, dass der Zugang zu amtlichen Informationen ein Menschenrecht ist: (Anlage http://merlin.obs.coe.int/iris/2005/2/article1):

„Zugang zu Informationen der Behörden ist ein fundamentales Menschenrecht, das auf nationaler Ebene durch eine umfassende Gesetzgebung gewährleistet sein muss, die auf dem Prinzip der größtmöglichen Offenlegung basiert."

Konkret sind ca. 50 Staaten dem Beispiel Schwedens gefolgt und haben den Zugang zu amtlichen Dokumenten in Ihren Verfassungen verankert.

Ca. 89 Staaten mit ca. 5,5 Milliarden d. h. 78 % der Weltbevölkerung (siehe:  http://right2info.org/access-to-information-laws und http://www.freedominfo.org/2011/10/foi-laws-counts-vary-slightly-depending-on-definitions/) haben Informationszugangsgesetze.

Auch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte hat sich weiterentwickelt: http://right2info.org/cases#section-2

Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zu Artikel 10 der europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte (EMRK) hat sich weiterentwickelt und umfasst den Zugang zu Dokumenten der öffentlichen Verwaltung für "watchdogs" Funktion und Rolle wie Presse, NGOs und Historiker:


Ich habe diese neuesten Entwicklungen leider vergeblich Frau Dr. Musch übersendet (siehe: http://wkeim.bplaced.net/files/111117foev.htm ) und sende deshalb eine Kopie. Leider wurde das nicht berücksichtigt.

Ich schätze es, dass Sie dieses Gebiet bearbeitet haben und schlage vor bei eventuellen Neuaflagen Ihres Buches die neueste Entwicklung zu berücksichtigen.

Mit freundlichen Grüssen,

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Walter Keim
Netizen: http://walter.keim.googlepages.com
Access to Information Baltic Sea NGO Forum: http://BSNF-ATI.tk/
Is it possible to enforce access to information in Bavaria?
http://wkeim.bplaced.net/files/enforce_access_to_information.html

Im Internet publiziert:

  1. 21. Dezember 2004: Gemeinsame Erklärung der drei Sonderbeauftragten für den Schutz der Meinungsfreiheit  UN, OSCE und OAS: http://merlin.obs.coe.int/iris/2005/2/article1
  2. "General Comment No. 34 on Article 19 of the ICCPR" (Zivilpakt): http://www2.ohchr.org/english/bodies/hrc/comments.htm
  3. Tabellarische Übersichten: Menschenrecht Informationszugang im Bundesgesetzblatt (BGBl.): http://wkeim.bplaced.net/IFG.htm#Europarat