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Der Erfolgreichste im Leben ist der, der am Besten informiert ist. (Benjamin Disraeli)

Walter Keim, Email: walter.keim@gmail.com
Torshaugv. 2 C
N-7020 Trondheim, den 17.2.06


Bayerisches Staatsministerium des Innern
Pressestelle
Pressesprecher: Michael Ziegler
Odeonsplatz 3
D-80539 München
Telefon: (089) 2192 –2114, Telefax: (089) 2192 –12721
E-Mail:
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Stellungsnahme des Innenministeriums zum Informationsfreiheitsgesetz: Wann findet die CSU Anschluss an die zivilisierte Welt?


Sehr geehrter Herr Beckstein, sehr geehrter Herr Ziegler,

ich nehme Bezug auf Ihre Pressemeldung vom 12.1.06 in der Sie ein Informationsfreiheitsgesetz ablehnen, das von den Grünen und der SPD vorgeschlagen wurde.

Der Innenminister geht davon aus, dass die gegenwärtigen Regelungen (z. B. Verwaltungsgericht) ausreichen und lehnt wegen zusätzlichem finanziellen Mehrbedarf ein Informationsfreiheitsgesetz ab.

Als Aktivist habe ich mal versucht mit Hilfe des erwähnten § 29 des Verwaltungsgerichtsgesetzes Akteneinsicht zu erhalten. Da ich das Verfahren verloren habe, hat das € 770 für 15 Kopien1 gekostet. Das zeigt, dass Gerichtsverfahren keineswegs ein Ersatz für die Informationsfreiheit sind: Man ist wie Wolfgang Thierse vor der Bundestagswahl auf das Verfahren beim Bundesverfassungsgericht angesprochen, gesagt hat "bei Gericht und auf hoher See in Gottes Hand".

Der erste Beauftragte für Akteneinsicht in Brandenburg hat oft auf den Grund- und Menschenrechtscharakter des § 21 (4) der Brandenburger Verfassung hingewiesen. "Während der Datenschutz seit fast dreißig Jahren in den alten Bundesländern und seit der Vereinigung auch in den neuen Ländern seinen festen Platz hat, ist der allgemeine Zugang der Bürgerinnen und Bürger zu Informationen in der öffentlichen Verwaltung ein Grund- und Menschenrecht, das erstmals in der Verfassung des Landes Brandenburg von 1992 verankert wurde." "Rede des Landesbeauftragten für den Datenschutz und für das Recht auf Akteneinsicht, Dr. Alexander Dix, zur Eröffnung des Internationalen Symposiums "Informationsfreiheit und Datenschutz" am 25. Oktober 1999 in Potsdam.

Mehr als 60 Staaten2 sowohl in der EU, in Europa, der OSZE, der OECD sowie alle entwickelten zivilisierten Länder kennen die Informationsfreiheit. Mehr als die Hälfte dieser Staaten hat dieses Menschenrecht in der Verfassung verankert. Der Europarat 3, die OSZE 4, ARTICLE19, Privacy International, Open Society Justice Initiative, Tranceparency International, Statewatch, Human Rights Whatch, International Journalists' Network, foiadvocates.net und die Internationalen Konferenz der Informationsfreiheitsbeauftragten (in der auch die 5 Informationsfreiheitsbeauftragten aus Deutschland mitarbeiten) beobachten und analysieren Entwicklungen bei Informationsfreiheitsgesetzen.

Die Informationsfreiheit (einschließlich des Zugangs zu Dokumenten der öffentlichen Verwaltung) ist Teil der Meinungsfreiheit und durch international anerkannte Menschenrechte speziell des Artikel 19 des Internationaler Paktes über bürgerliche und politische Rechte (IPbürgR, BGBl. 1973 II S. 1534) geschützt. Diesem Pakt ist Deutschland beigetreten, verletzt ihn aber bisher.

Artikel 19 (2) des Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte lautet: 

"(2) Jedermann hat das Recht auf freie Meinungsäußerung; dieses Recht schließt die Freiheit ein, ohne Rücksicht auf Staatsgrenzen Informationen und Gedankengut jeder Art in Wort, Schrift oder Druck, durch Kunstwerke oder andere Mittel eigener Wahl sich zu beschaffen, zu empfangen und weiterzugehen.

Weiter wird auch auf die Interpretation des Special Rapporteur der VN Mr. Abid Hussain hingewiesen. Der Bericht (UN Doc. E/CN.4/1999/64, para. 12) dokumentiert dass Artikel 19 den Zugang zu Dokumenten der öffentlichen Verwaltung beinhaltet:

[T]he Special Rapporteur expresses again his view, and emphasizes, that everyone has the right to seek, receive and impart information and that this imposes a positive obligation on States to ensure access to information, particularly with regard to information held by Government in all types of storage and retrieval systems - including film, microfiche, electronic capacities, video and photographs - subject only to such restrictions as referred to in article 19, paragraph 3, of the International Covenant on Civil and Political Rights. 

Am 6. Dezember 2004 haben der Spezialberichterstatter für Meinungsfreiheit der Vereinten Nationen und der Vertreter für Medienfreiheit der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) sowie der Spezialberichterstatter für Meinungsfreiheit der Organisation amerikanischer Staaten (OAS) in einer gemeinsame Erklärung zum Zugang zu Informationen und zur Geheimhaltungsgesetzgebung bestätigt, dass der Zugang zu amtlichen Informationen ein Menschenrecht ist:

"The right to access information held by public authorities is a fundamental human right which should be given effect at the national level through comprehensive legislation (for example Freedom of Information Acts) based on the principle of maximum disclosure, establishing a presumption that all information is accessible subject only to a narrow system of exceptions."

Da das Innenministerium seine Mitarbeit zu verweigern scheint schlage ich vor, dass das Parlament mit dem Menschenrechtsbeauftragten des Europarates, dem Medianbeauftragten der OSZE Miklos Haraszti und der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte zusammenarbeitet. Sowohl die OSZE4 als auch der Europarat3 beobachten alle europäischen Staaten, d. h. auch Bayern.

Ich begrüße, dass Deutschland durch das Informationsfreiheitsgesetz im Bund einen Schritt in die richtige Richtung getan und sich international vom letzten auf den vorletzten Platz verbessert hat. Neben 4 Bundesländern mit Informationsfreiheitsgesetzen werden bald auch in Bremen, Hamburg (durch CDU Fraktion), Mecklenburg-Vorpommern und dem Saarland (CDU Regierung) solche Gesetze verabschiedet werden. Dann fehlen solche Gesetze noch in 8 von 16 Bundesländern.

Wie lange wird es noch dauern bis die CSU bei der Informationsfreiheit den Anschluss an die zivilisierte Welt erreicht?


Mit freundlichen Grüßen

Walter Keim
Torshaugv. 2 C
N-7020 Trondheim
E-Mail: walter.keim@gmail.com
Support Freedom of Information: http://wkeim.bplaced.net/foil.htm#e-mail
Support Patients' Rights: http://wkeim.bplaced.net/patients.htm#e-mail

Anlage:

  1. 12. November 2005: Kosten Verwaltungsstreitsache Walter Keim ./. Bundesrepublik Deutschland VG 2 A 85.04: Gerichtsgebühren von € 770 für 15 Kopien.
  2. THE FREEDOMINFO.ORG GLOBAL SURVEY . Freedom of Information and Access to Government Records Around the World. by David Banisar, 2004. http://www.freedominfo.org/survey.htm
  3. Wer lädt den Menschenrechtsbeauftragten nach Deutschland ein?: http://wkeim.bplaced.net/files/coe-031128.htm
  4. OSCE will monitor access to public documents: http://wkeim.bplaced.net/files/osce-050106.htm

Kopie: Petitionsausschuss Petition P II 2/VF.0593.15

Diese Internetpublikation ist auch ein "Hearing": Gerne nehme ich Kommentare entgegen: walter.keim@gmail.com

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Ergebnis:

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Bild unten: Dunkelgrün: Informationsfreiheitsgesetz beschlossen. Gelb: Gesetz in Vorbereitung. FOIA= Freedom of Information Act (Informationsfreiheitsgesetz)

 

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