Betreff: Menschenrecht Informationszugang stärken: CDU/CSU ist das trojanische Pferd der Bürokratie im Parlament
Von: Walter Keim
Datum: 09.07.2012 21:02
An: "Dieter Wiefelspuetz, MdB", "Edgar Franke, MdB", Nicole Gohlke MdB, Norbert Geis MdB, "Patrick Sensburg, MdB", "Wolfgang Wieland MdB"
CC: Menschenrechtsausschuss BT <menschenrechtsausschuss@bundestag.de>

Betreff: "Grundrecht auf Informationszugang" (BT-Drs 17/9724)

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich beziehe mich auf die Debatte im Bundestag vom 25.5.2012 Top 35 über den Vorschlag der Grünen "Grundrecht auf Informationszugang" (BT-Drs 17/9724).

Die Begründung lautet: "Transparenz und Zugang der Bürgerinnen und Bürger zu Informationen sind notwendige Voraussetzungen für die Meinungs- und Willensbildung der Bürgerinnen und Bürger; notwendige Voraussetzungen (...für) einen modernen, lebendigen demokratischen Rechtsstaat."

Nur die Linke unterstützte diesen Vorschlag, der von der CDU/CSU völlig abgelehnt wurde. Die SPD sah Verbesserungen des Informationsfreiheitsgesetzes wünschenswert, während die FDP den Vorschlag als überflüssig anzusehen schien, da schon das Informationsfreiheitsgesetz Akten "allgemein zugänglich" mache gemäß Artikel 5 Grundgesetz.

Die OSZE hat im April 2012 in ihren Kommentaren zum Entwurf eines Transparenz- und Informationszugangsgesetzes in Spanien den Menschenrechtscharakter des Informationszugangs dokumentiert, mit Hinweis auf OSZE, Zivilpakt und EGMR. Außerdem wird festgestellt, dass der Informationszugang eine Voraussetzung für alle demokratische Gesellschaften ist. (siehe Anlage 2: "International documents (...) state that access to information is a fundamental human right and an essential condition for all democratic societies.").

Die "Evaluation des Gesetzes zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes – Informationsfreiheitsgesetz des Bundes (IFG)" hat den Menschenrechtscharakter unterschlagen, obwohl er vorher mitgeteilt wurde (Anlage 1).

In der Begründung wird erwähnt, dass die Verfassungen Belgiens, Finnlands und Schwedens (1766) das Prinzip der Öffentlichkeit von amtlichen Dokumenten und individuelle Informationsgrundrechte enthalten. Darüber hinaus haben im Ostseeraum dem "Meer der Informationsfreiheit" [8] Litauen (1992), Estland (1992), Russland (1993), Polen (2001) und Norwegen (2004) ebenfalls Bestimmungen in ihren Verfassungen über Verwaltungstransparenz. Andere europäische Staaten mit Informationszugang in Verfassungen sind: Portugal, Spanien, Belgien, Niederland, Tschechien, Ungarn, Slowenien, Rumänien, Bulgarien, Moldawien, FYR Mazedonien und Albanien. Island entwickelt in Zuge der Isländische Initiative zu modernen Medien ein ultramodernes Informationsfreiheitsgesetz.

Während im Bundestag nur 2 Parteien mit weniger als einem Fünftel der Abgeordneten den Informationszugang als Grundrecht unterstützen, haben weltweit mehr als 50 Staaten [3] den Informationszugang in Verfassungen verankert, d. h. mehr als 2/3 der Abgeordneten dieser Staaten unterstützen das dort.

Damit wird klar, warum 84 Staaten mit ca. 5,5 Milliarden [4, 5] Bürger, d. h. 78 % der Bewohner der Welt ein besseres Informationsfreiheitsgesetz als deutsche Bürger im Bund haben ([6] http://www.rti-rating.org/country-data/). Nur Liechtenstein, Österreich, Griechenland und Tadschikistan haben schlechtere Informationsfreiheitsgesetze.

Auch nach mehr als 230 Jahren Informationsfreiheit hat die schwedische Verwaltung ihren Widerstand nicht völlig aufgegeben. Das schwedische Parlament zieht daraus den Schluss, dass man streng sein muss: "Doch die Vorschriften sind so deutlich abgefasst, die Einsichtnahme des Ombudsmannes des Reichstags so streng und die Tradition so alt, dass diesem Widerstand im Ernstfall nicht nachgegeben wird". Wer die Machtfrage stellt, sollte sie beantwortet bekommen. In Deutschland wurden 6 der 12 Informationsfreiheitsgesetze von Parlamenten vorgeschlagen und verabschiedet, weil die Regierung keinen Gesetzesvorschlag zustande brachte. Offenbar können Regierungen zu sehr von Interessen der Verwaltung dominiert sein, um Menschen- und Bürgerrechte zu vertreten.

Die CDU/CSU trägt außerdem die Verantwortung dafür, dass in 5 Bundesländern d. h. der Hälfte der Bevölkerung in Deutschland generelle Informationsfreiheitsgesetze fehlen, die über den Anwendungsbereich von Verbraucherinformationsgesetz und Umweltinformationsgesetz hinausgehen. Mehr als 115 Staaten ([7] https://www.rti-rating.org/country-data/) mit mehr als 5,9 Milliarden Einwohnern, d. h. 84% der Weltbevölkerung haben entweder Informationszugangsgesetze oder entsprechende Verfassungsbestimmungen.

Die Aufgabe der Parlamente als Volksvertretern ist Menschenrechte, Bürgerrechte und Demokratie zu sichern. Die Verweigerung der CDU/CSU von Informationszugangsgesetzen in 5 Bundesländern, einer essentiellen Voraussetzung der Demokratie (Anlage 2, OSZE) zeigt, dass die CDU/CSU das trojanische Pferd der Bürokratie im Parlament ist. Die CDU/CSU ist unfähig das Volk, den Souverän der repräsentativen Demokratie zu vertreten. Eine solche Partei gibt es in keiner der demokratischen Staaten der zivilisierten Welt. Die Frage ist wie lange sich die CDU/CSU noch blamieren will.

Mit freundlichen Grüßen
--
Walter Keim
Netizen: http://walter.keim.googlepages.com
Access to Information Baltic Sea NGO Forum: http://BSNF-ATI.tk/
Is it possible to enforce access to information in Bavaria?
http://wkeim.bplaced.net/files/enforce_access_to_information.html

Anlagen:
  1. 17.06.12: Evaluation des IFG des Bundes: http://wkeim.bplaced.net/files/120617foev.htm
  2. OSZE, April 2012: COMMENTS ON THE DRAFT LAW ON TRANSPARENCY, ACCESS TO INFORMATION AND GOOD GOVERNANCE OF SPAIN: http://www.osce.org/fom/89577
  3. CONSTITUTIONAL PROTECTIONS OF THE RIGHT TO INFORMATION: http://right2info.org/constitutional-protections-of-the-right-to
  4. Access to Information Laws: http://right2info.org/access-to-information-laws
  5. FOI Laws: Counts Vary Depending on Definitions: http://www.freedominfo.org/2011/10/foi-laws-counts-vary-slightly-depending-on-definitions/
  6. Right to Information Rating: http://www.rti-rating.org/country-data/
  7. Right to Information Constitutional Provisions, Laws and Regulations: https://www.rti-rating.org/country-data/
  8. 13.06.2012: Neue Rheinische Zeitung: 10. Ostsee-NGO Forum unterstützt Zugang zu amtlichen Informationen. Deutschland als Schlusslicht: http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=17885
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