Zugang zu Informationen der Behörden ist ein fundamentales Menschenrecht, das auf nationaler Ebene durch eine umfassende Gesetzgebung gewährleistet sein muss, die auf dem Prinzip der größtmöglichen Offenlegung basiert".
UN, OSZE und OAS Sonderbeauftragte für den Schutz der Meinungsfreiheit 2004


Englishin English on same subject: http://wkeim.bplaced.net/files/foi-de.htm

Walter Keim, Email: walter.keim@gmail.com
Almbergskleiva 64
NO-6657 Rindal, den 3.6.2013

An den Innenausschuss des
Landtages von Hessen
Schlossplatz 1-3
D-65183 Wiesbaden


Anhörung: Hessisches Transparenzgesetz (Hess.TG): Menschenrecht Informationszugang auch gegen Regierung verwirklichen


Sehr geehrte Damen und Herren,

die Bürger haben aufgrund fehlender Informationen Probleme damit, die Organisationsstruktur und die Entscheidungen von Behörden und politischen Stellen nachzuvollziehen. Der Vorschlag für ein Hessisches Transparenzgesetz (Hess.TG) (Anlage A) realisiert das Prinzip der freiheitlich demokratischen Grundordnung das einen mündigen, wissenden Bürger verlangt, dem ein transparenter Staat gegenübersteht. Darüber hinaus unterstützt ein umfassendes Informationsrecht die demokratische Meinungs- und Willensbildung, sodass bürgerschaftliche Teilhabe gefördert wird. 

11 Bundesländer haben Informationszugangs- und Transparenzgesetze verabschiedet. Nach der Niederlage von CDU Regierungen sind in Baden-Württemberg und Niedersachsen sind solche Gesetzes in Vorbereitung.

Hessen war ein Pionier beim Datenschutz. Der erste Datenschutzbeauftragte Professor Simitis entwickelte in den 70-Jahren auch den Gedanken, dass der Bürger nicht nur Zugang zu seinen eigenen Daten haben sollte (informationelle Selbstbestimmung) sondern auch Zugang zu Dokumenten der öffentlichen Verwaltung. Das folge daraus, dass die Meinungsfreiheit zuverlässige Informationen bedürfe (Anlage 4). Dies hat sowohl das höchste Gericht in Indien, Japan und Südkorea so gesehen und den Zugang zu Dokumenten der öffentlichen Verwaltung aus der Meinungsfreiheit hergeleitet. Auch der Datenschutzbeauftragte in Hessen schlug ein Informationsfreiheitsgesetz vor (Kapitel 2.1.2.2), "dass das Land Hessen wieder Anschluss an die Spitzengruppe der Länder findet, die den freien Informationszugang gewährleisten".

Hessen hat 1993 den Vorschlag gemacht, den Zugang zu Dokumenten der öffentlichen Verwaltung im Grundgesetz zu verankern. Dieser Vorschlag hat in der Verfassungskommission von Bund und Ländern im Jahre 1993 im Zuge der Diskussion um eine Änderung des Grundgesetzes im Rahmen der Wiedervereinigung schon eine Mehrheit erreicht, allerdings wurde die notwendige zweidrittel Mehrheit damals wegen des Widerstands der CDU/CSU noch nicht erreicht (BT Drucksache 12/6000, Kapitel 3.4).

Ohne die Verweigerung durch die CDU/CSU wäre Deutschland einer von mehr als 55 Staaten die entsprechende Bestimmungen des Informationszugangs in ihren Verfassungen haben und den Informationszugang direkt als Grund- und Menschenrecht anerkennen.

Unter der CDU Herrschaft ist Hessen beim Informationszugang vom Pionier zum Schlusslicht heruntergewirtschaftet worden. Deshalb ist die CDU bei der Landtagswahl abzuwählen.

Mehr als 120 Staaten (https://www.rti-rating.org/country-data/) mit mehr als 5,9 Milliarden Einwohnern d. h. 84 % der Weltbevölkerung haben entweder Informationsfreiheitsgesetze oder entsprechende Verfassungsbestimmungen. Das Menschenrecht des Informationszugangs wird international als Voraussetzung einer Demokratie anerkannt. In Europa fehlt im Wesentlichen nur Weißrussland und 5 Bundesländer. In der Welt fehlen hauptsächlich Staaten in Afrika und dem Nahen Osten. Die meisten Bewohner von Bananenrepubliken haben solche Rechte.

Trotz Koalitionsvertrag erarbeitete die Ministerialbürokratie im Bund keinen Gesetzentwurf, der in den Bundestag eingebracht wurde. Die "Zeit" nannte das den "Aufstand der Amtsschimmel" (Anlage B).
Die Lösung dieses Problems war, dass die Parlamentsfraktionen der regierenden Koalitionsparteien ihren eigenen Gesetzesentwurf erarbeiteten und verabschiedeten. Das gleiche geschah in den Bundesländern Schleswig-Holstein, Berlin, Hamburg, Rheinland-Pfalz und Thüringen.

Deshalb müssen die Parlamentsfraktionen in Hessen das selber in die Hand nehmen, um dieses in der Demokratie essentielles Menschenrecht (Quelle 1) zu verwirklichen.

In Schweden wurde der Informationszugang zu amtlichen Dokumenten vor mehr als 240 Jahren (inspiriert von Chinas Tang Dynastie des 7. Jahrhunderts) "erfunden". In Deutschland beschrieb 1830 Carl Gustav Jochmann den Gedanken der Öffentlichkeit der Verwaltung. Leider wurden Demokraten damals als Demagogen verunglimpft und von der fürst- und königlichen Polizei als Umstürzler verfolgt. Andere Könige in Europa akzeptierten demokratische Rechte im Rahmen konstitutioneller Monarchien. Die (Welt-)Geschichte hat Jochmann Recht gegeben: Inzwischen haben mehr als 125 Staaten (https://www.rti-rating.org/country-data/) mit mehr als 5,9 Milliarden Einwohnern, d. h. 84% der Weltbevölkerung entweder Informationsfreiheitsgesetze oder entsprechende Verfassungsbestimmungen.

Trotzdem lassen sich Verwaltungen in aller Welt sich nicht gerne in die Karten schauen und versuchen deshalb die allgemeine Akteneinsicht zu erschweren. Dabei beziehe ich mich auch auf mehr als 240 Jahre Erfahrung mit der Informationsfreiheit in Schweden. Trotzdem hat die schwedische Verwaltung ihren Widerstand nicht aufgegeben. Das schwedische Parlament kommt zum Ergebnis, dass man streng sein muss: "Doch die Vorschriften sind so deutlich abgefasst, die Einsichtnahme des Ombudsmannes des Reichstags so streng und die Tradition so alt, dass diesem Widerstand im Ernstfall nicht nachgegeben wird".

So geht das heute in Skandinavien, das den Informationszugang zu amtlichen Dokumenten vor mehr als 240 Jahren entwickelte:
Sowohl das Hamburger Transparenzgesetz als auch der SPD Vorschlag "Informationsgesetz 2.0" (BT Drucksache 17/13467, 14. 05. 2013) enthalten Inhaltsverzeichnisse der veröffentlichten Dokumente. In Norwegen sind auch die Metadaten aller Dokumente staatlicher Verwaltungen seit 20 Jahren für Journalisten und seit 2 Jahren für alle Bürger zugänglich. Dies vereinfacht auch die Arbeit der Verwaltung sehr: Der Antragsteller findet selber die Dokumentnummer, die es der Verwaltung einfach macht eine schnelle kostenfreie elektronische Zusendung zu ermöglichen.

Internationale Normen der maximalen Offenheit, rascher Antworten und niedriger Kosten werden mit dem IFG des Bundes so verwirklicht, dass 88 Staaten mit ca. 5,5 Milliarden d. h. 78 % der Bürger auf der Welt haben ein besseres Informationsfreiheitsgesetz als deutsche Bürger im Bund (http://www.rti-rating.org/country-data/). Nur Liechtenstein, Österreich, Griechenland und Tadschikistan haben schlechtere Informationsfreiheitsgesetze.

Die OSZE hat im April 2012 in ihren Kommentaren zum Entwurf eines Transparenz- und Informationszugangsgesetzes in Spanien den Menschenrechtscharakter des Informationszugangs dokumentiert, mit Hinweis auf OSZE, Zivilpakt und EGMR [siehe Quelle 1: "International documents (...) state that access to information is a fundamental human right and an essential condition for all democratic societies."].

Der Zugang zu Dokumenten der öffentlichen Verwaltung ist ein Menschenrecht gemäß Zivilpakt [2, 5, 6] und der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte [7] aufgrund der Europäischen Konvention für Menschenrechte (EKMR) [3], wird international als Voraussetzung für die Demokratie angesehen und ist wichtig im Kampf gegen Korruption.

Die drei Sonderbeauftragten von UN, OSZE und AOS für den Schutz der Meinungsfreiheit bestätigen in ihrer gemeinsamen Erklärung vom 6.12.2004, dass die Informationsfreiheit ein Menschenrecht ist: [4]:

„Zugang zu Informationen der Behörden ist ein fundamentales Menschenrecht, das auf nationaler Ebene durch eine umfassende Gesetzgebung gewährleistet sein muss, die auf dem Prinzip der größtmöglichen Offenlegung basiert."
Der Allgemeine Kommentar (Nr. 34) des Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen am 21. Juli 2011 zu Artikel 19 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR) lautet [5]:

Das Recht auf Zugang zu behördlichen Informationen wird detailliert betrachtet; um diesem (Menschen-)Recht Nachdruck zu verleihen, werden Staaten ermutigt, „staatliche Informationen von öffentlichem Interesse proaktiv öffentlich zu machen“. Staaten sollten ebenfalls „alle Anstrengungen unternehmen, einen einfachen, schnellen, effektiven und praktikablen Zugang zu solchen Informationen sicherzustellen, (mit Hilfe von Informationsfreiheitsgesetzen)“.)

Deshalb ist die Verabschiedung eines Transparenzgesetzes notwendig um den Anschluss an die internationale Entwicklung zu erreichen.

Der Vorschlag eines Bürgerinformationsgesetzes der Zivilgesellschaft ist ein "Akt zivilgesellschaftlicher Notwehr" (Anlage D) ist sehr gut geeignet das zu verwirklichen. Suttgart21leaks.tk dokumentiert, dass Offenheit und Transparenz bei Stuttgart 21 gefehlt hat.

In Hamburg hat das Bündnis "Transparenz schafft Vertrauen" eine Volksinitiative auf den Weg gebracht, die von der Bürgerschaft weitgehend übernommen wurde und ein sehr fortschrittliches Transparenzgesetz mit proaktiven Veröffentlichungen durchgesetzte (Anlage E). Auch in NRW, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Baden-Württemberg, Bremen und Bayern gibt er ähnliche Bestrebungen für Transparenzgesetze.

Mit Abgeordnetenwatch Hessen wurden die Regierungsfraktionen CDU und FDP befragt. Die FDP lehnte ein Informationsfreiheitsgesetz ab. Die CDU antwortete nicht.

Es liegt in Ihrer Hand meine sehr geehrten Damen und Herren Volksvertreter das Menschenrecht des Informationszugangs zu verwirklichen: Sie haben in der Demokratie die Macht nicht eine Regierung, die Bürgern dieses Menschenrecht verweigert.

Mit freundlichen Grüßen

--
Walter Keim
Netizen: http://walter.keim.googlepages.com
UN Universal Periodic Review (UPR): http://wkeim.bplaced.net/files/foi-upr-de.htm
Will OSCE Support the Human Right of Access to Information in Germany by Commenting ATI Laws: http://t.co/GmQy9V0U


Kopie: Fraktionen im Landtag Hessen, Landespressekonferenz, Deutscher Journalisten-Verband (DJV), Regierungsfraktionen CDU und FDP.

Quellen:
  1. OSZE, April 2012: COMMENTS ON THE DRAFT LAW ON TRANSPARENCY, ACCESS TO INFORMATION AND GOOD GOVERNANCE OF SPAIN: http://www.osce.org/fom/89577
  2. Zugang zu amtlichen Dokumenten ist ein Menschenrecht der VN: https://www.right2info.org/international-standards#section-1
  3. Zugang zu amtlichen Dokumenten in Europäischer Konvention für Menschenrechte: https://www.right2info.org/international-standards#section-5
  4. Gemeinsame Erklärung 2004 der drei Sonderbeauftragten von UN, OSZE und AOS für den Schutz der Meinungsfreiheit: http://merlin.obs.coe.int/iris/2005/2/article1
  5. "General Comment No. 34 on Article 19 of the ICCPR" (Internationaler Paktes über bürgerliche und politische Rechte, Zivilpakt): http://www2.ohchr.org/english/bodies/hrc/comments.htm (Deutsch: http://merlin.obs.coe.int/iris/2011/10/article1)
  6. Klagen bei den VN gegen Staaten, die gegen das Menschenrecht des Zugangs zu amtlichen Dokumenten verstoßen: http://right2info.org/cases#section-6
  7. Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte: http://right2info.org/cases#section-2
  8. Electronic Public Records (OEP) Norway: http://www.oep.no/nettsted/fad/OM-OEP.html?lang=en
  9. 2011 Norwegen: 3 385 Anfragen pro 100.000 Einwohner pro Jahr: http://wkeim.bplaced.net/files/Norway_number_of_requests.html
  10. Monica Broschard: Deutschlands Weg zur Informationsfreiheit – Entwicklungsgeschichte, Akteursinteressen und Hindernisse auf Bundes- und Länderebene. Magisterarbeit. Universität Koblenz 2003: ftp://ftp.zew.de/mbr/ma2003c-hauptband_zew.pdf
    Anhang 5: Exkurs in die schwedische Verwaltungspraxis in Monica Broschard: Deutschlands Weg zur Informationsfreiheit – Entwicklungsgeschichte, Akteursinteressen und Hindernisse auf Bundes- und Länderebene. Magisterarbeit. Universität Koblenz 2003

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Anlage: CDU/CSU regierte Bundesländer sind der Schandfleck bezüglich der Informationsfreiheit in Europa. Bild unten: Dunkelgrün: Informationsfreiheitsgesetz beschlossen. Hellgrün: Informationsfreiheit nur in Verfassung. Gelb: Gesetz in Vorbereitung. Access to Information Law = Informationsfreiheitsgesetz.

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