Knowledge will forever govern ignorance, and
a people who mean to be their own governors,
must arm themselves with the power knowledge gives. A popular
government without popular
information or the means of acquiring it, is but a prologue to a
farce or a tragedy or perhaps both.
-- James
Madison
in English on same subject: http://wkeim.bplaced.net/files/ifg-result.htm
Frei nur ist, wer seine Freiheit gebraucht. (Präambel der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft)
Walter Keim
Torshaugv. 2 C
N-7020 Trondheim, den 14.02.2007
An den
Innenminister des Landes Sachsen-Anhalt
Halberstädter Str. 2
am "Platz des 17. Juni"
D-39112 Magdeburg.
Betreff: Verpflichtungen aufgrund von Europarats, VN und
EU Regelungen zur Informationsfreiheit
Sehr geehrter Herr Innenminister,
die Diskussion über Informationsfreiheit in Sachsen-Anhalt scheint Hoffnung auf Fortschritte nicht auszuschließen. Ich beziehe mich auf die Sitzung des Landtages in Sachsen-Anhalt vom 6.8.06 TOP 3, Seite 40 in der Sie so zitiert werden: "Es gibt keine rechtliche Verpflichtung zur Schaffung eines solchen Gesetzes aufgrund von Richtlinien oder Empfehlungen der EU, des Europarates oder aufgrund internationaler Vereinbarungen".
Am 19.12.2006 ist das Gesetz über die Weiterverwendung von Informationen öffentlicher Stellen (Informationsweiterverwendungsgesetz, IWG) in Kraft getreten (BGBl. I, S. 2913). Das Gesetz dient der 1:1 Umsetzung der europäischen Richtlinie 2003/98/EG über die Weiterverwendung von Informationen des öffentlichen Sektors, deren wirtschaftlicher Wert in der EU auf 65 Milliarden Euro geschätzt wird. Dabei wird auf den Informationsfreiheitsgesetzen (IFG) die bestehen aufgebaut, d. h. das Fehlen eines IFG in Sachsen-Anhalt bedeutet einen Wettbewerbsnachteil (Anlage A).
Ich möchte auf die Empfehlungen des Europarats, der Vereinten Nationen und der Europäischen Union eingehen und die daraus folgenden und Verpflichtungen Deutschlands:
Der Ministerrat des Europarats hat bereits im Jahre 1981 die erste Empfehlung R (81) 19 für den Zugang zu Dokumenten der öffentlichen Verwaltung ausgesprochen aufgrund der in dieser Diskussion erwähnten Recommendation 854 (1979) der Parlamentarischen Versammlung des Europarates. Diesen Empfehlungen sind fast alle Staaten in Europa gefolgt. Die Empfehlung Rec (2002) 2 des Ministerausschusses an die Mitgliedstaaten zum Zugang zu amtlichen Dokumenten (Anlage B) präzisierte und die Forderungen an Informationsfreiheitsgesetze aktualisierte . Voraussichtlich wird dieses Jahr vom Europarat eine bindende Konvention (Entwurf 5.12.06, Project 2004/DG2/74: Zwischenbericht am 31.3.07 ) verabschiedet.
Artikel 10 der europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte (EKMR) schützt die Meinungsfreiheit und Informationsfreiheit. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR, Fünfte Sektion), Rechtssache Sdrueni Jihoceské Matky gegen Tschechische Republik, Antrag Nr. 19101/03 vom 10. Juli 2006 enthält "eine ausdrückliche und unleugbare Anerkennung der Anwendung von Artikel 10 im Falle einer Verweigerung eines Antrags auf Zugang zu öffentlichen oder behördlichen Dokumenten". Auch die Rechtssache GERAGUYN KHORHURD PATGAMAVORAKAN AKUMB v. ARMENIA: Antrag Nr. 11721/04 vom 11. April 2006 bestätigt diese Rechtsprechung. Mit der Rechtssache Keim gegen Deutschland "Freedom of Information and Fair Trial" beim europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Antrag Nr. 41126/05 versuche ich Deutschland auf den rechten Weg zu bringen (Anlage 2). Artikel 46 (1) der EKMR lautet: "Die Hohen Vertragsparteien verpflichten sich, in allen Rechtssachen, in denen sie Partei sind, das endgültige Urteil des Gerichtshofs zu befolgen." (Anlage 1)
Die Bindungswirkung des EGMR erstreckt sich nach der Entscheidung BVerfG 2 BvR 1481/04 des Verfassungsgerichtes (Punkt 3) auf alle staatlichen Organe: "Die Bindungswirkung einer Entscheidung des EGMR erstreckt sich auf alle staatlichen Organe und verpflichtet diese grundsätzlich, im Rahmen ihrer Zuständigkeit und ohne Verstoß gegen die Bindung an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG) einen fortdauernden Konventionsverstoß zu beenden und einen konventionsgemäßen Zustand herzustellen." Staatliche Organe umfassen also sowohl die Exekutive (z. B. Landesregierung Sachsen-Anhalt) und Legislative (z. B. Landtag von Sachsen-Anhalt).
Damit hat also die Regierung und der Landtag die Verpflichtung, sich mit der Rechtsprechung des EGMR zum Menschenrechts des Zugangs zu Informationen der öffentlichen Verwaltung und der EKMR auseinanderzusetzen.
In der Empfehlung Rec (2002) 2 wird auf Artikel 19 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vom 10.12.1948 hingewiesen. Dieser Artikel wurde wortwörtlich in den Artikel 19 (2) des in Deutschland rechtsverbindlichen Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte (IPbürgR, BGBl. 1973 II S. 1534) übernommen.
Die Informationsfreiheit (einschließlich des Zugangs zu Dokumenten der öffentlichen Verwaltung) ist Teil der Meinungsfreiheit und auch durch international anerkannte Menschenrechte speziell des Artikel 19 des IPbürgR geschützt (Anlage 4).
In ca. 70 Staaten ist der Zugang zu Dokumenten der öffentlichen Verwaltung in der Verfassung verankert. Weitere ca. 40 Staaten haben dieses Menschenrecht gesetzlich verankert. Damit ist diese Menschenrecht in mehr als die Hälfte der Staaten in der Welt realisiert das gemäß Art. 59 Abs. 2 GG Bestandteil des Bundesrechts ist (Anlage 7).
Im Jahre 2006 verabschiedeten Hamburg (29.3.06), Bremen (11.5.06) und Mecklenburg-Vorpommern (27.6.06, Drucksache 4/2117) und das Saarland (12.7.06, Drucksache 13/758) Informationsfreiheitsgesetze. Dmit haben sowohl der Bund als auch 8 Bundesländer Informationsfreiheitsgesetz verabschiedet.
Artikel 6 (1) des VERTRAGS ÜBER DIE EUROPÄISCHE UNION lautet:
Die Union beruht auf den Grundsätzen der Freiheit, der Demokratie, der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie der Rechtsstaatlichkeit; diese Grundsätze sind allen Mitgliedstaaten gemeinsam.
Artikel 7 behandelt den Ausschluss aus der EU. Zwar ist noch kein EU-Staat wegen Menschenrechtsverletzungen aufgrund von Artikel 7 ausgeschlossen worden, doch ist seit 1.1.2007 die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (COM(2005)280) die Aufgabe die Einhaltung von Grund- und Menscherechten zu überwachen. Außerdem ist Deutschland auch laut Artikel 23 GG verpflichtet bezüglich "vergleichbarem Grundrechtsschutz" bei der EU mitzuarbeiten. Dabei wirken Bund und Länder zusammen siehe Art. 23 (2) GG (Anlage 3).
Das EU Parlament ist schon lange der Auffassung (z. B. Bericht 2000/2231(INI) und Dokument A5-0223/2001), dass Mitgliedstaaten die EU Charta der Grundrechte respektieren sollten.
Sowohl die Informationsfreiheitsbeauftragten als auch der Bundespräsident haben sich dafür ausgesprochen die berechtigten Interessen der Verbrauchen in einem neuen Verbraucherinformationsgesetz zu berücksichtigen. Dabei hat sich der Bundesrat in der Drucksache 584/06 für die Verzahnung von Verbraucherschutz, Informationsfreiheit und Zugang zu Umweltinformationen (in Sachsen-Anhalt verwirklicht).
Der Präsident des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), Luzius Wildhaber, hat Deutschland zur Umsetzung der Straßburger Urteile ermahnt: Deutschland solle sich "näher mit dem System der Menschenrechtskonvention befassen", sagte Wildhaber am 8.12.06 im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AFP. Es gebe offensichtlich "einige Wissenslücken", auch bei deutschen Richtern, betonte der 69-jährige Schweizer, der den Straßburger Gerichtshof im Januar aus Altersgründen verlassen wird. Wildhaber verwies auf Artikel 46 der Europäischen Menschenrechtskonvention. Darin sei unmissverständlich festgelegt, dass die Unterzeichnerstaaten die endgültigen Urteile des Gerichtshofs "befolgen" müssen. Der Zugang zu Dokumenten der öffentlichen Verwaltung ist nach der neuesten Rechtsprechung des EGMR ein Menschenrecht (Anlage 5).
Der Menschenrechtskommissar (Human Rights Commissioner) des Europarats hat 2006 Deutschland besucht und ich sehe seinem Bericht entgegen (Anlage 8).
Sowohl die neueste Rechtsprechung des Europäische
Gerichtshof für Menschenrechte (EKMR Artikel 10) als auch der Internationalen Paktes über bürgerliche und
politische Rechte (IPbürgR
Artikel 19) und als Folge davon auch der < a href="http://eur-lex.europa.eu/de/treaties/dat/12002M/htm/C_2002325DE.000501.html">EU Vertrag (Artikel 6)
enthalten rechtliche Verpflichtungen zur Informationsfreiheit.
Weiter ist sowohl der Europarat als auch die EU im Begriff
Kontrollmechanismen zu schaffen, die die Einhaltung dieser
Verpflichtungen überwachen und durch den EGMR auch erzwingen
können.
Mit freundlichen Grüßen
Walter Keim
Kopie: 8 Bundesländer ohne Informationsfreiheit, Agentur der Europäischen Union für Grundrechte, Human Right Commissioner of the CoE, EU Commission, EU Parliament, EU Council, Council of Europe, OSCE, OECD, PACE, International Helsinki Federation for Human Rights, ECHR und UN
Organisation | Name mit Link | Über- setzung |
Europarat, 4.11.1950 | Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte (BGBl. 1952 Teil II S. 685): Artikel 11: Meinungsfreiheit und Informationsfreiheit | English |
Parlamentarische Versammlung, 1979 | Parliamentary Assembly, Recommendation 854 (1979) on access by the public to government records and freedom of information | |
Europarat, 1981 | "Recommendation No. R (81) 19" on the access to information held by public authorities. | |
Parlamentarische Versammlung, 1986 | Recommendation 1037 (1986). On Data Protection and Freedom of Information | |
Europarat, 2002 | Empfehlung
Rec (2002) 2 des Ministerausschusses an die
Mitgliedstaaten zum Zugang zu amtlichen Dokumenten: http://www.fr.ch/ofl/de/cst2004/empf_2002_2.pdf |
Englisch |
Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, 2006 | Rechtssache Sdrueni Jihoceské Matky gegen Tschechische Republik, Antrag Nr. 19101/03 vom 10. Juli 2006 | English |
Europarat, 2006 | Arbeit an bindender Konvention. CDDH: Project 2004/DG2/74 Guaranteeing the right of the public to have access to official documents: http://wkeim.bplaced.net/files/project_2004dg274.htm |
Organisation | Name mit Link | Über- setzung |
Generalversammlung, 10.12. 1948 | Allgemeine Erklärung der Menschenrechte: Artikel 19: ...Freiheit ... "Informationen (...) zu suchen, zu empfangen und zu verbreiten." | English |
Vereinte Nationen, 1966 | Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte. (BGBl. 1973 II S. 1534) Artikel 19: Freiheit ... "Informationen (...) sich zu beschaffen, zu empfangen und weiterzugeben." | English |
Europa UNECE, 1998 | United Nations Economic Commission for Europe: Umweltschutz: Die Aarhus Konvention: http://www.unece.org/env/pp/acig.htm | English |
COMMISSION ON HUMAN RIGHTS, 1998 | E/CN.4/1998/40, 28 January 1998: Promotion and protection of the right to freedom of opinion and expression Report of the Special Rapporteur, Mr. Abid Hussain, submitted pursuant to Commission on Human Rights resolution 1997/26: III A | |
COMMISSION ON HUMAN RIGHTS, 2000 | E/CN.4/2000/63, 18 January 2000: Report of the Special Rapporteur on the promotion and protection of the right to freedom of opinion and expression, Mr. Abid Hussain, submitted in accordance with Commission resolution 1999/36: III B | |
UN Special Rapporteur, 2004 | JOINT DECLARATION by the UN Special Rapporteur on Freedom of Opinion and Expression, the OSCE Representative on Freedom of the Media and the OAS Special Rapporteur on Freedom of Expression: http://merlin.obs.coe.int/iris/2005/2/article1 |
Anlagen im Internet publiziert:
Entwicklung:
Antwort:
[Informationsfreiheit] [Menschenrechtsverletzungen in Deutschland] [Rechtsberatungsgesetz] [Patientenrechte in Europa] [Petitionen] [Homepage]
Anlage: Deutschland der Schandfleck der Informationsfreiheit in Europa. Bild unten: Dunkelgrün: Informationsfreiheitsgesetz beschlossen. Hellgrün: Informationsfreiheit nur in Verfassung. Gelb: Gesetz in Vorbereitung. Access to Information Law = Informationsfreiheitsgesetz.