Betreff: Anhörung zur Evaluierung des IFG: Was ist zu tun?
Von: Walter Keim
Datum: 22.09.2012 08:31
An: "innenausschuss@bundestag.de"
CC: Presserat, Berichterstatter: Kirsten.Luehmann@bundestag.de, Konstantin Notz MdB <konstantin.notz@bundestag.de>, Gisela.Piltz@bundestag.de, Menschenrechtsausschuss BT <menschenrechtsausschuss@bundestag.de>, Stephan.Mayer@bundestag.de, Jan.Korte@bundestag.de

Anhörung zur Evaluierung des IFG im Bundestag am 24.9.2012: Die CDU/CSU, das trojanische Pferd der Bürokratie im Parlament muss sich bewegen


Die Sachverständigen berichten über die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte und den Inter-American Court of Human Rights (1) erwähnen allerdings nicht, dass der Zivilpakt den Informationszugang zu amtlichen Dokumenten als Menschenrecht anerkennt (2, 11, 13). Auch wird nicht erwähnt, dass ca. 50 Staaten dieses Recht in ihren Verfassungen sichern (3). Weiter fehlt ein internationaler Vergleich auf der Basis internationaler Standards.

Die Deutsche Gesellschaft für Informationsfreiheit dokumentiert in ihrem Beitrag überzeugend die Probleme bei der Durchsetzung des Rechts auf Informationszugang: zu viele Ausnahmen, hohe Kosten, lange Wartezeiten und Verschleppung. Teilweise werden Akten sogar vernichtet um sie der Einsicht zu entziehen. Es wird auch teilweise versucht in-camera Verfahren durch Sperrerklärungen sabotiert. Alles auf Kosten der Steuerzahler.

Die Ausnahme-, Verfahrens- und Kostenregelungen des Informationsfreiheitsgesetzes müssen weiterentwickelt werden. Ziel muss es sein, dass die Bürgerinnen und Bürger einen schnelleren, leichteren und kostengünstigen Informationszugang auf Antrag erhalten. Die Bundesverwaltung muss zusätzlich aus eigener Initiative Verwaltungsinformationen ins Netz stellen.

Werden internationale Standards, z. B. Prinzip der größtmöglichen Offenlegung, rasche Antwort und niedrige Kosten zugrunde gelegt, haben 84 Staaten mit ca. 5,5 Milliarden (5) d. h. 78 % der Bürger auf der Welt haben ein besseres Informationsfreiheitsgesetz als deutsche Bürger im Bund (6, http://www.rti-rating.org/country-data/). Nur Liechtenstein, Österreich, Griechenland und Tadschikistan haben schlechtere Informationsfreiheitsgesetze. Beispielweise haben alle BRICS-Staaten bessere bürgerfreundlichere Regelungen.

Um Unterschiede aus Bürgersicht zu verdeutlichen soll Norwegen als Beispiel herangezogen werden:
Unter Berücksichtigung des Datenschutzes sind Beschreibungen aller Dokumente der norwegischen Staatsverwaltung der letzten 2 Jahre suchbar (oep.no) im Internet veröffentlicht. Der Antragsteller findet und bestellt elektronisch die Dokumentnummer, die Behörde hat wenig Arbeit das elektronisch zuzusenden. Das kostet nichts.

Diese Vereinfachung für Antragssteller und Verwaltung trägt Früchte: ca. 3385 Anfragen pro 100 000 Einwohner pro Jahr.

In Deutschland werden weniger als 4 Anfragen pro 100 000 Einwohner pro Jahr bearbeitet.

In Schweden sollte die Antwort mit den gewünschten Dokumenten innerhalb 24 Stunden (12) gegeben werden. 99 % der Antragsteller sind Journalisten. Norwegen operiert mit 1 bis 3 Tagen. Nach 5 Arbeitstagen kann geklagt werden.

In Deutschland müssen Behörden innerhalb von 4 Wochen antworten. Für die Behandlung der Klage besteht keine Frist und der Beauftragte für Informationsfreiheit wartet möglicherweise mehr als ein Jahr bevor sein Vermittlungsvorschlag beantwortet wird. Das geschah bei der Akteneinsicht  in Gutachten "Neubewertung der Nutzen-Kosten-Analyse der Neubaustrecke Wendlingen-Ulm" vom 25. 10. 2010.

Deutschland muss um zu Europa, OSZE, G8, G20, OECD und WTO Ländern aufzuschließen internationale Standards größtmöglicher Offenlegung, rasche Antwort und niedrige Kosten verwirklichen.

 
Warum ist Deutschland Schlusslicht? (8)

Die Deutsche Presse ist der größte Versager in der Welt beim Menschenrecht Informationszugang (9,10).

Die CDU/CSU trägt außerdem die Verantwortung dafür, dass in 5 Bundesländern d. h. der Hälfte der Bevölkerung in Deutschland generelle Informationsfreiheitsgesetze fehlen, die über den Anwendungsbereich von Verbraucherinformationsgesetz und Umweltinformationsgesetz hinausgehen. Mehr als 130 Staaten (7: https://www.rti-rating.org/country-data/) mit mehr als 5,9 Milliarden Einwohnern, d. h. 84% der Weltbevölkerung haben entweder Informationszugangsgesetze oder entsprechende Verfassungsbestimmungen.

Auch nach mehr als 240 Jahren Informationsfreiheit hat die schwedische Verwaltung ihren Widerstand nicht völlig aufgegeben. Das schwedische Parlament zieht daraus den Schluss, dass man streng sein muss: "Doch die Vorschriften sind so deutlich abgefasst, die Einsichtnahme des Ombudsmannes des Reichstags so streng und die Tradition so alt, dass diesem Widerstand im Ernstfall nicht nachgegeben wird". Wer die Machtfrage stellt, sollte sie beantwortet bekommen. In Deutschland wurden 6 der 12 Informationsfreiheitsgesetze von Parlamenten vorgeschlagen und verabschiedet, weil die Regierung keinen Gesetzesvorschlag zustande brachte. Offenbar können Regierungen zu sehr von Interessen der Verwaltung dominiert sein, um Menschen- und Bürgerrechte zu vertreten.

Die Aufgabe der Parlamente als Volksvertretern ist Menschenrechte, Bürgerrechte und Demokratie zu sichern. Die Verweigerung der CDU/CSU von Informationszugangsgesetzen in 5 Bundesländern über sehr viele Jahre, einer essentiellen Voraussetzung der Demokratie (Anlage 2, OSZE) zeigt, dass die CDU/CSU das trojanische Pferd der Bürokratie im Parlament ist. (In BaWü hat die Rot-Grüne Nachfolgeregierung einen Entwurf für 2012 versprochen). Die CDU/CSU ist unfähig das Volk, den Souverän der repräsentativen Demokratie zu vertreten. Eine solche Partei gibt es in keiner der demokratischen Staaten der zivilisierten Welt. Die Frage ist wie lange sich die CDU/CSU noch blamieren will. Die Betonköpfe der CDU/CSU gewährt Bürgern schlechtere Einsichtsrechte als die chinesische kommunistische Partei.

Da die Wähler von der Presse nicht über diese Zusammenhänge informiert wird, findet die CDU/CSU für ihre Politik der Verweigerung des Menschenrechts des Informationszugangs immer noch Wähler.
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Walter Keim

Netizen: http://walter.keim.googlepages.com Access to Information Baltic Sea NGO Forum: http://BSNF-ATI.tk/ Is it possible to enforce access to information in Bavaria? http://wkeim.bplaced.net/files/enforce_access_to_information.html
Referenzen:
  1. 25.09.12: Evaluation des IFG des Bundes: http://www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse17/a04/Anhoerungen/Anhoerung21/Stellungnahmen_1_SV/index.html
  2. OSZE, April 2012: COMMENTS ON THE DRAFT LAW ON TRANSPARENCY, ACCESS TO INFORMATION AND GOOD GOVERNANCE OF SPAIN: http://www.osce.org/fom/89577
  3. CONSTITUTIONAL PROTECTIONS OF THE RIGHT TO INFORMATION: http://right2info.org/constitutional-protections-of-the-right-to
  4. Access to Information Laws: http://right2info.org/access-to-information-laws
  5. FOI Laws: Counts Vary Depending on Definitions: http://www.freedominfo.org/2011/10/foi-laws-counts-vary-slightly-depending-on-definitions/
  6. Right to Information Rating: http://www.rti-rating.org/country-data/
  7. Right to Information Constitutional Provisions, Laws and Regulations: https://www.rti-rating.org/country-data/
  8. 13.06.2012: Neue Rheinische Zeitung: 10. Ostsee-NGO Forum unterstützt Zugang zu amtlichen Informationen. Deutschland als Schlusslicht: http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=17885
  9. Offener Brief: Deutsche Presse größter Versager in der Welt beim Menschenrecht Informationszugang: http://wkeim.bplaced.net/files/120727pr.html
  10. Menschenrecht Zugang zu amtlichen Informationen unbekannt bei deutscher Presse: http://wkeim.bplaced.net/files/120823stn.html
  11. Zugang zu amtlichen Dokumenten ist ein Menschenrecht der VN: https://www.right2info.org/international-standards#section-1
  12. Monica Broschard: Deutschlands Weg zur Informationsfreiheit - Anhang 5: Exkurs in die schwedische Verwaltungspraxis http://wkeim.bplaced.net/files/Broschard-Exkurs_schwedische_Verwaltungspraxis.html
  13. Keim, Walter (14.9.2012): Parallel Report to Human Rights Committee. 106th session (October 2012), Geneva; http://wkeim.bplaced.net/files/foi-ccpr-de.htm


Ergebnis:


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