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Knowledge will forever govern ignorance, and
a people who mean to be their own governors,
must arm themselves with the power knowledge gives. A popular
government without popular
information or the means of acquiring it, is but a prologue to a
farce or a tragedy or perhaps both.
-- James
Madison
Der Erfolgreichste im Leben ist der, der am Besten informiert ist. (Benjamin Disraeli)
Frei nur ist, wer seine Freiheit gebraucht. (Präambel der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft)
on same subject in English: http://wkeim.bplaced.net/foi.htm
Walter Keim, Email: walter.keim@gmail.com
Torshaugv. 2 C
N-7020 Trondheim, den 24. 4. 2007
An das
Verfassungsgericht
Postfach 1771
D-76006 Karlsruhe
Copy: Commissioner for
Human Rights Council of Europe, EU
Fundamental Rights Agency, OSCE,
OECD, PACE, UN,
Betreff: Aktenzeichen AR2628/07: Veröffentlichung
der Nebentätigkeiten von Abgeordneten (später 2 BvR
1033/07)
Ihr Brief vom 18.4.07
Ich beziehe mich auf Ihren Brief vom 18.4.07 in dem Sie auf die Zulässigkeitsvorrausetzungen einer Verfassungsbeschwerde hinweisen und schreiben:
"Es fehlt insbesondere die genaue Bezeichnung bzw. Vorlage eines konkreten Hoheitsaktes, durch den Sie selbst gegenwärtig und unmittelbar in Ihren Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten verletzt werden."
Diesen Hoheitsakt habe ich schon am 10.4.07 angegeben: Es ist die Verweigerung des Bundestagspräsidenten der Veröffentlichung der Nebenverdienste der Bundestagsabgeordneten vom 10.3.06, der in meinem Brief vom 10.4.07 erwähnt ist. Weiter lege ich den Brief des Bundestages vom 12.4.07 aus dem ersichtlich ist, dass der Gesetzesbruch der Nichtveröffentlichung ohne einstweilige Verfügung fortgesetzt wird. Meine Antwort vom 19.4.07 erläutert das nochmals genau.
Der Bundestagspräsident schreib nämlich am 10.3.06 (Anlage 5) folgendes:
"Die Bearbeitung der eingereichten Meldungen wird einige Wochen in Anspruch nehmen. Es zeichne sich zugleich ab, daß das Bundesverfassungsgericht eine zügige Entscheidung der anhängigen Klagen einiger Bundestagsabgeordneter anstrebe. Daher beabsichtige ich, die Veröffentlichung bis zum Vorliegen dieser Entscheidung auszusetzen."
Dieser offener Gesetzesbruch gegen die Bindung an Recht und Gesetz Art. 20 (3) GG verstößt gegen mein Grundrecht der Informationsfreiheit: Ich werde daran gehindert mich über die Nebeneinkünfte von Bundestagsabgeordneten zu informieren. Dadurch werden die am 18.10.05 in Kraft gesetzten Neuen Richtlinien zur Offenlegung der Nebeneinkünfte von Bundestagsabgeordneten gemäß § 44 b (4) AgbgG i.Vb.m.§ 3 Anlage 1 zu veröffentlichten Nebeneinkünfte unzugänglich:
§3 Veröffentlichung
Die Angaben gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 1 bis 6 werden im Amtlichen Handbuch und auf den Internetseiten des Deutschen Bundestages veröffentlicht.
Es ist schon schlimm genug, dass der Bundespräsident Gesetzesbruch begeht. Aber, dass Sie ihn dadurch decken, dass Sie meine gegenwärtige andauernden Grundrechtsverletzungen angeblich nicht erkennen, steht im Widerspruch dazu, dass Sie auch an Gesetz und Recht gebunden sind.
Deshalb fordere ich eine darauf aufbauende Rechtsbelehrung, wo ich nun am Besten den Marsch zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte beginnen kann, wie schon wie schon beim Verfahren Keim gegen Deutschland Antrag Nr. 41126/05 über Informationsfreiheit.
Es ergibt sich nämlich folgende Rechtslage:
Die Informationsfreiheit (Rezipientenfreiheit) ist im Grundgesetz der
Bundesrepublik Deutschland garantiert (Art.5 Abs.1 S.1, 2.Hs GG).
"Allgemein zugänglich" sind dabei solche Informationsquellen, die
technisch geeignet und bestimmt sind, der Allgemeinheit Informationen zu
verschaffen (BVerfGE 27, 71 - Leipziger Volkszeitung).
BVerfGE 103, 44 (61): "Legt der Gesetzgeber die Art der Zugänglichkeit
von staatlichen Vorgängen und damit zugleich das Ausmaß der Öffnung
dieser Informationsquelle fest, so wird in diesem Umfang zugleich der
Schutzbereich der Informationsfreiheit eröffnet." Beispielsweise normiert
§ 169 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) für die ordentliche Gerichtsbarkeit
den Grundsatz der Gerichtsöffentlichkeit. .
Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes und von 8 Bundesländern
schafft einen solches "Jedermannsrecht" auf vorraussetzungslosen Zugang zu
Dokumenten der öffentlichen Verwaltung. Zusätzlich bestimmt das
§ 44 b (4) Abgeordnetengesetzes (AgbgG) die Veröffentlichung im Internet
Wie bereits dargelegt begründet das Grundrecht auf Informationsfreiheit
für sich genommen keinen Informationszugangsanspruch. Nur i. V. m.
zusätzlichen rechtlichen Verpflichtungen amtlicher Stellen, Zugang zu
bestimmten Informationsquellen zu gewähren, werden diese
Informationsquellen zu allgemein zugänglichen Quellen i. S. d. Art. 5 I
1, 2. Hs. GG. Verpflichtungen dieser Art sind insbesondere als
gesetzliche Konkretisierungen des Rechtsstaats- oder des
Demokratieprinzips denkbar (Vgl. BVerfGE 103, 44 (63 f.)). Als eine
ebensolche Ausformung ist die Verpflichtung zur
Informationszugangsgewährung nach dem IFG anzusehen, womit eine
Verwehrung des Informationszugangsrechts durch eine verpflichtete Stelle
als Eingriff in das Grundrecht auf Informationsfreiheit zu qualifizieren
ist (Vgl. BVerfGE 103, 44 (61).)
Als im europäischen "Raums der Freiheit" (KOM (2002) 247) mit "Garantien für die Achtung (...) der Menschenrechte" lebender deutscher Staatsbürger bin ich mir darüber im Klaren, dass der Europäische Gerichthof für Menschenrechte, das Recht auf Informationsfreiheit gemäß Art. 10 der EKMR schützt.
Der Staatsrechtler Prof. Hans-Herbert von Arnim bezeichnet es im Campact-Interview (Anlage 1) als "offenen Gesetzesbruch", dass Bundestagspräsiden Lammers die Veröffentlichung von Nebentätigkeiten sabotiert. "§ 44a des Abgeordnetengesetzes sowie die Verhaltensregeln für Bundestagsabgeordnete verlangen zwingend die Veröffentlichung der Angaben." Lammert sei somit gar nicht befugt, die Anwendung des Gesetzes auszusetzen, kritisiert der Staatsrechtler. Der Bundestagspräsident ist nicht befugt, die Anwendung des Gesetzes auszusetzen. Das könnte allenfalls das Bundesverfassungsgericht. Hierfür hätten die klagenden Abgeordneten beim Gericht einen Antrag auf einstweilige Anordnung stellen müssen, über die das Gericht dann zu entscheiden habe.
Nach einer vom Nachrichtenmagazins Stern (Sieh Heft 42/2006) in Auftrag gegebenen repräsentativen Forsa-Umfrage sind 90% der Bürger/innen für eine Veröffentlichung der Nebeneinkünfte.
Was haben die Abgeordneten Hans-Joachim Otto, Sibylle Laurischk, und Heinrich Leonhard Kolb von der FDP, Peter Danckert von der SPD, Wolfgang Götzer und Max Straubinger von der CSU sowie Siegfried Kauder, Marco Wanderwitz und Friederich Merz von der CDU zu verbergen, dass sie mit einer Klage beim Bundesverfassungsgericht erreichen wollen, dass ihre Nebeneinkünfte auch künftig den Licht der Öffentlichkeit entzogen werden.
Das Vertrauen des deutschen Volkes in seine Repräsentativorgane ist in besorgniserregender Weise geschwächt. So halten die Deutschen politische Parteien und Legislativorgane an erster bzw. an dritter Stelle für die korruptesten Institutionen der Gesellschaft. Inwieweit diese Wahrnehmung der Wirklichkeit entspricht, kann dahingestellt bleiben jedenfalls ist es ein Signal dafür, dass das Vertrauen in die politischen Funktionsträger gestärkt werden muss, denn die parlamentarische Demokratie basiert auf dem Vertrauen des Volkes, so das Bundesverfassungsgericht in seinem Diätenurteil (BVerfG v. 5.11.1975 2 BvR 193/74, BVerfGE 40, 296ff., Rz. 61.).
SPIEGEL
ONLINE berichtete am 25.03.2006 über Nebenverdienst:
Parlamentspräsident bezieht Geld vom Kohle-Konzern.
Bundestagspräsident Norbert Lammert erhält jährlich 25.000
Euro vom Energiekonzern RAG - zusätzlich zu den normalen
Bezügen als Politiker. Es gebe da gar keine Interessenkonflikte,
sagt Lammert. Dabei ist der Umgang mit dem Kohleunternehmen seit
jeher ein Politikum.
Bundestagspräsident Herr Lammert ist also selber persönlich in Diskussionen um Nebentätigkeiten verwickelt und deshalb befangen die Offenlegung der Nebentätigkeiten beim Bundesverfassungsgericht zu vertreten. Hier wird Gegnern der Offenlegung und Gesetzesbrechern das Feld frei überlassen, da § 92 BVerGG keinen Beitritt für den Souverän der Demokrtaie, die Bürger zulässt.
Der Zweck der Veröffentlichung der Nebentätigkeit, wie auch der Informationsfreiheit ist die Vertrauen der Bürger in die Politik und den Staat zu stärken. International ist das Vertrauen der Bürger sehr gering (Volk ohne Vertrauen: 80 % Misstrauen), weil die Transparenz der Abgeordnetentätigkeiten fehlt und auch die Informationsfreiheit neu (im Bund seit 1.1.06, in 8 Bundesländern unbekannt) und beschränkt ist im Gegensatz zum Ausland. In England zeigen Untersuchungen dass Transparenz Vertrauen schafft. International hinken die Veröffentlichungspflichten von Abgeordneten in Deutschland der Praxis vielen Ländern hinterher. Die am 09. November 2003 unterzeichnete und am 14. Dezember 2005 in Kraft getretene UN Konvention gegen Korruption ist von Deutschland noch nicht ratifiziert. Zuvor muss insbesondere der Straftatbestand der Abgeordnetenbestechung in § 108e des Strafgesetzbuchs erweitert werden. Bisher ist Abgeordnetenbestechung nicht streng genug, d. h. aufgrund internationaler UN Konventionen verbotene Abgeordnetenbestechung ist in Deutschland "legal".
Die Informationsfreiheit (einschließlich des Zugangs zu Dokumenten der öffentlichen Verwaltung) ist Teil der Meinungsfreiheit und auch durch international anerkannte Menschenrechte speziell des Artikel 19 des Internationaler Paktes über bürgerliche und politische Rechte (IPbürgR, BGBl. 1973 II S. 1534) geschützt.
Der Präsident des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), Luzius Wildhaber, hat Deutschland zur Umsetzung der Straßburger Urteile ermahnt: Deutschland solle sich "näher mit dem System der Menschenrechtskonvention befassen", sagte Wildhaber am 8.12.06 im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AFP. Es gebe offensichtlich "einige Wissenslücken", auch bei deutschen Richtern, betonte der 69-jährige Schweizer, der den Straßburger Gerichtshof im Januar aus Altersgründen verlassen wird. Wildhaber verwies auf Artikel 46 der Europäischen Menschenrechtskonvention. Darin sei unmissverständlich festgelegt, dass die Unterzeichnerstaaten die endgültigen Urteile des Gerichtshofs "befolgen" müssen. Der Zugang zu Dokumenten der öffentlichen Verwaltung ist nach der neuesten Rechtsprechung des EGMR ein Menschenrecht.
Auch der Europarat hat in seiner "Empfehlung Rec(2004)6 über die Verbesserung der innerstaatlichen Rechtsbehelfe" gefordert, den EGMR zu entlasten, indem die Rechtsprechung des EGMR bekannter gemacht und mehr beachtet wird.
Der Zugang zu Dokumenten des öffentlichen Verwaltung ist also ein Menschenrecht gemäß Artikel 19 des Internationaler Paktes über bürgerliche und politische Rechte (IPbürgR, BGBl. 1973 II S. 1534) der Vereinten Nationen und Artikel 10 der europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte (EKMR, BGBl. 1952 Teil II S. 685) des Europarates siehe Rechtssache Sdrueni Jihoceské Matky gegen Tschechische Republik, Antrag Nr. 19101/03 vom 10. Juli 2006. 8 Bundesländer verletzen dieses Menschenrecht, da Informationsfreiheitsgesetze fehlen. Das Verbraucherinformationsgesetz (VIG) ist wegen der Begrenzungen des Einsichtsrechtes nur eine dürftige Implementierung dieses Menschenrechts und die kurze Begründung des Bundespräsidenten den Deutschen dieses Menschenrecht zu nehmen noch unverständlicher. Ich habe am 21.11.06 dem Bundespräsidenten über die Rechsprechung des EGMR in Kenntnis gesetzt. Der erklärende Briefwechsel wurde der Einsicht der Öffentlichkeit entzogen. Das ist im internationalen "right to know"-Kontext schwer begreiflicher auf der Basis, dass die kurze Begründung in Briefen des Bundespräsidenten an die Regierung/Bundesrat/Bundestag (Bundestagsdrucksache 16/3866) nicht überzeugt.
Die am 09. November 2003 unterzeichnete und am 14. Dezember 2005 in Kraft getretene UN Konvention gegen Korruption ist von Deutschland noch nicht ratifiziert. Zuvor muss insbesondere der Straftatbestand der Abgeordnetenbestechung in § 108e des Strafgesetzbuchs erweitert werden. Bisher ist Abgeordnetenbestechung nicht streng genug, d. h. aufgrund internationaler UN Konventionen verbotene Abgeordnetenbestechung ist in Deutschland "legal".
Das Verfassungsgericht kann mit einer einstweiligen Verfügung dem Bundespräsidenten helfen zu erkennen wo's lang geht in eine Zukunft in der auch für Deutsche Bürger das in der zivilisierten Welt selbstverständliche Menschenrecht "right to know" gesichert wird.
Der durch das IFG 2006 angestoßene Übergang und Paradigmenwechsel ist eine Kulturrevolution im Verhältnis von Bürger zum Staat. Im Bereich des Europarates wurde das aufgrund der Empfehlung Nr. 854 (1979) der Parlamentarischen Versammlung des Europarates betr. den Zugang der Öffentlichkeit zu Regierungsunterlagen und die Informationsfreiheit und war in dem meisten Ländern bereits abgeschlossen als das IFG im Jahr 2006 in Kraft trat. Daran müssen sich die Machthaber in Deutschland offenbar erst gewöhnen.
Aber laut Artikel 1 (2) GG sind auch in Deutschland die "unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten (...) Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft". Artikel 46 der Konvention für Menschenrechte lautet ""Die Hohen Vertragsparteien verpflichten sich, in allen Rechtssachen, in denen sie Partei sind, das endgültige Urteil des Gerichtshofs zu befolgen." Damit ist das Menschenrecht des Zugang zu Informationen der öffentlichen Verwaltung auch in Deutschland juristisch durchsetzbar. Das gilt auch für widerrechtlich unter Verschluss gehaltenen Informationen des Bundestagspräsidenten.
Walter Keim
Kopie: Verfassungsgericht 2
BvE 1/06 (Verfassungsrichter
Siegfried Broß und Udo
Di Fabio), alle Bundestagsabgeordneten, Bundeskanzlerin, Bundestagspräsident, Campact, Verbraucherzentrale,
Deutscher Presserat, Deutsche Presse,
TV Stationen.
MPs Otto,
Laurischk,
Kolb
(FDP), Danckert
(SPD), Wolfgang
Götzer, Max
Straubinger (CSU), Siegfried
Kauder, Marco
Wanderwitz, Friederich
Merz (CDU)
Anlagen:
Antworten:
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Anlage: Süddeutschland der Schandfleck bezüglich der Informationsfreiheit in Europa. Bild unten: Dunkelgrün: Informationsfreiheitsgesetz beschlossen. Hellgrün: Informationsfreiheit nur in Verfassung. Gelb: Gesetz in Vorbereitung. Access to Information Law = Informationsfreiheitsgesetz.