Betreff: Vertrauen schaffen, statt Misstrauen sähen: Konvention des
Europarats über den Zugang zu amtlichen Dokumenten ratifizieren
Sehr geehrte Damen und Herren,
die Informationsfreiheit macht das Verwaltungshandeln transparenter, indem
Bürger Zugang zu behördlichen Dokumenten und Informationen bekommen. Die
demokratischen Beteiligungsrechte der Bürger werden gestärkt gemäß dem
Leitprojekt des Programms Moderner Staat - moderne Verwaltung unter
Berücksichtigung des Datenschutzes. Dieses Bürger- und Menschenrecht wird im
Informationszeitalter als Teil der Demokratie verstanden und ist in über 80
Staaten der Welt (Anlage 5) verwirklicht. In mehr als der Hälfte dieser Staaten
z. B. Brandenburg (Art. 21 (4)) ist dieses Grundrecht in der Verfassung
verankert.
Weltweit kommt die Verwaltungstransparenz bisher in mehr als 75 Staaten mit
mehr als ca. 3,5 Milliarden Menschen in Europa, (Nord- und Mittel-)Amerika,
Australien, und Asien (Japan, Indien, Indonesien, China) zugute. Nachdem die
russische Duma am 22.1.09 ein IFG beschlossen hat (Anlage 9) fehlt in Europa die
Verwaltungstransparenz im Wesentlichen nur in Weißrussland und 5 deutschen
Bundesländern, darunter Bayern (Anlage 5).
Die 17. Konferenz der Informationsfreiheitsbeauftragten am 3./4. Dezember
2008 in Schwerin fordert: Die neue Konvention des Europarats zur
Informationsfreiheit so bald wie möglich unterzeichnen und ratifizieren! (Anlage
3).
Damit kann dieses Menschenrecht auch in Baden-Württemberg, Hessen,
Niedersachsen, Sachsen und in Bayern eingeführt werden.
Besonders peinlich ist das Fehlen der Informationsfreiheit für Hessen, das
einst der Pionier beim Datenschutz war und durch die CDU in eine
Schlusslichtposition abgewirtschaftet wurde. Außerdem hat Hessen 1993 den
Vorschlag gemacht, den Zugang zu Dokumenten der öffentlichen Verwaltung im
Grundgesetz zu verankern. Dieser Vorschlag hat in der Verfassungskommission von
Bund und Ländern im Jahre 1993 im Zuge der Diskussion um eine Änderung des
Grundgesetzes im Rahmen der Wiedervereinigung schon eine Mehrheit erreicht,
allerdings wurde die notwendige zweidrittel Mehrheit damals noch nicht erreicht
(BT Drucksache 12/6000, Kapitel 3.4).
Der Bundesrat hat in seiner letzten Sitzung im Jahr 2008 auf Antrag
Bayerns einen Vorschlag zur Änderung des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) des
Bundes beschlossen, mit dem eine Informationszugangssperre für sämtliche
Informationen aus dem Bereich der Finanz-, Wertpapier- und Versicherungsaufsicht
und für den Bereich der Finanzmarktstabilisierung verhängt werden soll. Der
Beschluss ist in der Bundesrat-Drucksache 827/08 vom 19.12.2008 zum so genannten
„Zahlungsdiensteumsetzungsgesetz“ verborgen (Anlage 10).
Dies ist genau das falsche Signal: Hier wird Misstrauen gesäht statt
Vertrauen geschaffen.
Fast alle Nachbarn von Bayern, Baden-Württemberg und Hessen haben IFG:
Österreich, die Schweiz, Frankreich und Rheinland-Pfalz.
Eines der wichtigsten Argumente für die Einführung der Transparenz
staatlichen Handelns mit Hilfe der Informationsfreiheit ist das Vertrauen in den
Staat zu stärken. Bisher ist Deutschland ein Volk ohne Vertrauen: Vier von fünf
Deutschen haben das Vertrauen in die Politik verloren (Die Welt: 12. März 2006,
00:00 Uhr Von Sabine Höher). Diese Misstrauen kann abgebaut werden wie z. B.
Untersuchungen in England zeigen.
Auch Obama stärkte Offenheit und Transparenz am ersten Tag seiner Amtszeit
durch entsprechende Erlasse, die die Einschränkungen der Bush Ära aufheben um
Vertrauen zurückzugewinnen (Anlage 11).
Mangelndes Vertrauen und Interesse zeigt sich in Deutschland an niedrigen
Wahlbeteiligungen. Bei den Kommunalwahlen in Sachsen-Anhalt im April 2007 waren
das nur 36,6 %, d. h. die "Partei" der Nichtwähler ist auf dem Weg zur
zweidrittel Mehrheit. In der Stichwahl im Mai 2007 waren es nur 20.1%: Ein
Negativrekord.
Überall in Europa zuletzt in Nordrhein-Westfalen (2001 mit den Stimmen
der CDU), der Türkei (2003), Schweiz (2004), Serbien (2004), Bremen (2006),
Hamburg (2006), Saarland (2006) und Rheinland-Pfalz (2008) haben auch
konservative Parteien bei der einstimmigen Verabschiedung mitgewirkt und
zumindest nicht gegen das Bürger- und Menschenrecht der Informationsfreiheit
gestimmt.
Im Artikel 20 GG steht: "Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus" und die
"vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an" (das von der gewählte
Volksvertretung beschlossene) "Gesetz und Recht gebunden". Damit ist auch in
Deutschland eine Demokratie europäischen Typs möglich, wenn die Abgeordneten nur
wollen und sich getrauen.
Immerhin haben in Schleswig-Holstein, Berlin, Hamburg, im Bund.
Rheinland-Pfalz und Thüringen schon 6 Mal Parlamente die Initiative ergreifen und
Gesetzentwürfe eingebracht. Das kann auch bei der Ratifizierung der Konvention
über den Zugang zu amtlichen Dokumenten notwendig werden.
Laut Artikel 1 (2) GG sind die "unverletzlichen und unveräußerlichen
Menschenrechten (...) Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft". Artikel 46 der
Konvention für Menschenrechte lautet "Die Hohen Vertragsparteien verpflichten
sich, in allen Rechtssachen, in denen sie Partei sind, das endgültige Urteil des
Gerichtshofs zu befolgen." Damit ist das Menschenrecht des Zugang zu
Informationen der öffentlichen Verwaltung auch in Deutschland juristisch
durchsetzbar.
Mit freundlichen Grüßen
Kopie: Deutscher Presserat (Ist der Handlungsbedarf zu übersehen?), EU
Commission, EU Parliament, EU Council, Council of Europe, OSCE, OECD, PACE,
International Helsinki Federation for Human Rights, ECHR und UN
Anlage:
1. Tabellarische Übersichten: Menschenrecht
Informationszugangsfreiheit im Bundesgesetzblatt (BGBl.):
http://wkeim.bplaced.net/IFG.htm#Europarat
2. Konvention des Europarats über den Zugang zu amtlichen
Dokumenten (verabschiedet vom Ministerkomitee am 27. November 2008):
http://conventions.coe.int/Treaty/Commun/QueVoulezVous.asp?NT=205&CM=8&DF=6/18/2009&CL=GER
3. 04.12.2008: Entschließung der 17. Konferenz der
Informationsfreiheitsbeauftragten am 3./4. Dezember 2008 in Schwerin: Die neue
Konvention des Europarats zur Informationsfreiheit so bald wie möglich
unterzeichnen und ratifizieren!
http://www.sachsen-anhalt.de/LPSA/index.php?id=32813 4. C. Löser: Amtsgeheimnis und
Informationsfreiheit im Wandel. Seminararbeit zum Seminar Gegenwartsfragen des
Staats- und Verwaltungsrechts bei Prof. Dr. Maximilian Wallerath. Sommersemester
2006.
http://www.cloeser.org/pub/Amtsgeheimnis_und_Informationsfreiheit.pdf
5.
http://www.right2info.org: 76 Staaten
weltweit mit Informationsfreiheitsgesetzen (IFG) und 51 Staaten mit
verfassungsrechtlicher Regelung des Zugangs zu Dokumenten (Informationen) der
öffentlichen Verwaltung. Nachdem die russische Duma am 22.1.09 ein
Informationsfreiheitsgesetz beschloss, fehlen in Europa im Wesentlichen nur noch
Weißrussland die 5 deutschen Bundesländer Baden-Württemberg, Hessen,
Niedersachsen und Sachsen.
6. 10. July 2006: Sdruženi Jihoceské
Matky v. Czech Republic (dec.), Application no. 19101/03, Decision of ECHR
(Admissibility). Access to information.
http://wkeim.bplaced.net/files/echr-19101-03.htm
7. 11. April 2006: GERAGUYN KHORHURD PATGAMAVORAKAN AKUMB v. ARMENIA (dec,):
Application no. 11721/04. ECHR decision to communicate freedom to receive
information case to Armenia:
http://wkeim.bplaced.net/files/echr-11721-04.htm
8. Empfehlung Nr. 854 (1979) der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
betr. den Zugang der Öffentlichkeit zu Regierungsunterlagen und die
Informationsfreiheit:
http://wkeim.bplaced.net/files/empf_854_1979.htm
9. 22.01.09: Die russische Duma beschließt ein Informationsfreiheitsgesetz In
Europa fehlen im Wesentlichen nur noch Weißrussland die 5 deutschen Bundesländer
Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Niedersachsen und Sachsen:
http://www.intern.de/news/neue--meldungen/--200901215034.html 10.
18.12.08: Bundesrat will auf Antrag Bayerns die Informationsfreiheit
einschränken:
http://www.dgif.de/index.php?id=5&Fsize=0
11. 21.01.09: Obama stärkt Offenheit und Transparenz am ersten Tag seiner
Amtszeit:
http://www.freedominfo.org/news/20090123.htm,
http://www.gwu.edu/~nsarchiv/news/20090121/index.htm
und
http://www.access-info.org/?id=41
In Internet veröffentlicht: