Weht in deutschen Bundesländern der Wind der Informationsfreiheit gemäß dem Gedanken des "Raums der Freiheit" (KOM (2002) 247) mit "Garantien für die Achtung (...) der Menschenrechte" in Europa (Agentur der Europäischen Union für Grundrechte gemäß COM(2005)280)?

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Walter Keim, Email: walter.keim@gmail.com
Torshaugv. 2 C
N-7020 Trondheim, den 18.10.2005

An den
Petitionsausschuss
Landtag Mecklenburg-Vorpommern
Lennéstr. 01
D-19053 Schwerin

Kopie: Petitionsausschüsse im Bund und in Baden-Württemberg, Bayern, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen

Betrifft: Gesetzgebung Informationsfreiheitsgesetz Pet.-Nr. 2005/00326 PETI3: Den "Aufstand der Amtsschimmel"7 niederschlagen

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

Ich danke Ihnen herzlich für Ihre Zuschrift vom 10.10.2005 in der Sie mir Gelegenheit geben die Stellungnahme des Innenministeriums zu kommentieren. Ich habe etwa 20 Petitionen geschrieben und darf Ihnen versichern, dass der Petitionsausschuss des Landtag Mecklenburg-Vorpommern (MV) damit führend ist, was Bürgerfreundlichkeit anbelangt.

Ich stimme den Ausführungen des Innenministeriums auf der ersten Seite zu und möchte Ihre Aufmerksamkeit auf den ersten Satz auf Seite 2 lenken: "Die Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern verfolge mit Interesse das Gesetzgebungsverfahren zum Informationsfreiheitsgesetz im Bund...". Ich möchte Sie über die Bundesratssache (Drucksache 450/05) informieren aus der hervorgeht, dass dieses Gesetz am 8.7.05 den Bundesrat passiert hat und verabschiedet wurde, unter Mitwirkung der Regierung Landtag Mecklenburg-Vorpommerns. Das Innenministerium Mecklenburg-Vorpommerns war an der Beratung im Ausschusses für Innere Angelegenheiten des Bundesrates am 21.6.05 beteiligt. Deshalb bitte ich den Petitionsausschuss zu Grunde zu legen, dass das IFG im Bund schon im Bundesgesetzblatt Jahrgang 2005 Teil I Nr. 57, ausgegeben zu Bonn am 13. September 2005, veröffentlicht ist und am 1.1.2006 in Kraft tritt.

Die Ausführungen des Innenministers sind vom der Fachtagung: “Moderne Verwaltung: Zwischen Informationsfreiheit und Datenschutz” 29. Juni 2005 in Schwerin. Wie die Beiträge zeigen war dabei der Innenminister isoliert mit seiner ablehnenden Haltung. Ich möchte hier Karsten Neumann, Landesbeauftragter für den Datenschutz M-V zitieren1:

"Im Jahr 1766 wurde der Zugang zu Verwaltungsunterlagen erstmals als allgemeines Bürgerrecht in Schweden rechtlich anerkannt. Es galt somit auch in meiner Heimatstadt Stralsund, die bis zum Wiener Kongress im Jahre 1815 zum Territorium des Königreiches Schweden gehörte.

1946 stellte die UN-Generalversammlung fest, dass das Recht auf Information ein fundamentales Menschenrecht sei und 1966 brach der „Freedom of Information Act“ in den USA die Bahn für ein Prinzip, dass mittlerweile in den meisten Demokratien Anerkennung gefunden hat.

Heute sind es über 50 Staaten weltweit und 4 deutsche Bundesländer, in denen das Recht auf einen grundsätzlich freien Zugang zu allen bei den öffentlichen Stellen existierenden Informationen verankert ist.

Ich würde es sehr begrüßen, wenn das Jahr 2006 für Mecklenburg-Vorpommern mit einem Informationsfreiheitsgesetz einen neuen Standard des Verhältnisses zwischen Verwaltung und Bürger setzen würde.

Die Zeit dafür ist reif und die Gelegenheit aus vielerlei Gründen günstig."

Fast alle Nachbarn Schweden seit 1766, Dänemark, Schleswig-Holstein, Brandenburg und Polen haben Informationsfreiheitsgesetze. Der Innenminister mag zu CSU Hinterwäldlern passen, aber er passt überhaupt nicht in die Region.

Zwar möchte ich die Bemühungen und Pläne der Landesregierung das Internet in der Verbesserung der Informationen für Bürger und Vereinfachung der Kontaktaufnahme mit Behörden im Zusammenhang mit dem Masterplan eGovernment begrüßen. Allerdings können diese Maßnahmen nicht die Informationsfreiheit ersetzen und ich kann der Landesregierung überhaupt nicht folgen, dass "vorerst ... gleichwohl noch kein aktueller Gesetzgebungsbedarf" besteht.

Aus den Ausführungen der Landesregierung sehe ich, dass die Wandlung des Selbstverständnisses der Verwaltung hin zum Dienstleistungsbewusstsein zu einer offenen Haltung gegenüber den Bürger geführt hat. Deshalb möchte ich im Folgenden auf den Bürgerrechtscharakter der Informationsfreiheit eingehen.

Das Bürgerrecht der allgemeinen Akteneinsicht wird von Verwaltungen in der ganzen Welt sabotiert. Dabei beziehe ich mich auch auf mehr als 200 Jahre Erfahrung mit der Informationsfreiheit in Schweden. Die schwedische Verwaltung hat ihren Widerstand nicht aufgegeben. Das schwedische Parlament kommt zum Ergebnis, dass man streng sein muss: "Doch die Vorschriften sind so deutlich abgefasst, die Einsichtnahme des Ombudsmannes des Reichstags so streng und die Tradition so alt, dass diesem Widerstand im Ernstfall nicht nachgegeben wird". Zögern sie nicht aus den Erfahrungen aus Schweden zu lernen und der Regierung deutlich zu machen, dass Sie dieses Gesetz notfalls - wie in Schleswig-Holstein, Berlin und im Bund - auch gegen die Verwaltung beschließen. Das wird Ihnen vielen Ärger ersparen. 

Leider ist beim Petitionsausschuss des Bundestages das in Mecklenburg-Vorpommern und dem europäischen Raum der Freiheit praktizierte Recht auf eine begründete Antwort innerhalb angemessener Zeit (Petitionsrecht in Verfassung Mecklenburg-Vorpommern Artikel 10) unbekannt. Meine Petition Informationsfreiheit im Bund vom 21.12.2001 war auch nach 2 Jahren Wartezeit nicht beantwortet. Mit Hilfe der von mir entwickelten "Akteneinsichtserzwingung" habe ich in der Verwaltungsklage VG 2 A 85.04 Walter Keim gegen Bundesrepublik Deutschland mir die Akten im deutschen Konsulat in Trondheim angeschaut und dabei festgestellt, dass sich das Bundesinnenministerium - wie auch das Innenministerium MV - nicht mit dem Menschenrecht der Informationsfreiheit auseinandersetzt. Deshalb haben am 6. Dezember 2004 der Spezialberichterstatter für Meinungsfreiheit der Vereinten Nationen und der Vertreter für Medienfreiheit der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) sowie der Spezialberichterstatter für Meinungsfreiheit der Organisation amerikanischer Staaten (OAS) in einer gemeinsame Erklärung zum Zugang zu Informationen und zur Geheimhaltungsgesetzgebung bestätigt, dass der Zugang zu amtlichen Informationen ein Menschenrecht ist. Mit der OSZE war damit auch eine europäische Organisation vertreten.

Im Bund hat der Bundestagspräsident meine Petition am 22.12.04 an den Bundeskanzler zur Berücksichtigung überwiesen und der Bundestag hat - wie von mir vorgeschlagen - ein Gesetz verabschiedet gegen den Widerstand der Regierung. Da der Landtag MV mein Schreiben vom 31.7.05 überraschenderweise als Petition annahm, wurde ich mir meiner Rechte bewusst und habe in allen anderen Bundesländer ohne Informationsfreiheitsgesetze, d. h. Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen, Sachsen-Anhalt , Hamburg, Bremen, das Saarland, Niedersachsen, Sachsen, Hessen und Rheinland-Pfalz entsprechende Petitionen gestellt, die angenommen wurden. Da Baden-Württemberg und Bayern versucht haben das nicht zustimmungspflichtige Bundes-IFG im Bundesrat (Drucksache 450/05) zu torpedieren, habe ich dort speziell angepasste Petitionen geschrieben (hier Bayern), wo noch deutlicher herausgestellt wird wo es lang geht in den europäischen "Raums der Freiheit" (KOM (2002) 247) mit "Garantien für die Achtung (...) der Menschenrechte".

Da weder die deutsche Presse, noch der Presserat (siehe Brief 07.06.05) einen Handlungsbedarf sieht um dem fehlenden Menschenrecht Informationsfreiheit in 12 von 16 Bundesländern abzuhelfen, habe ich beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte2, den Vereinten Nationen3 gegen Deutschland geklagt und plane eine Petition beim EU Parlament4. Dabei schlage ich vor, dass das Europaparlament Konsultationen mit deutschen Parlamenten aufnimmt um der Meinung des Europaparlaments zum Durchbruch zu verhelfen, dass die fundamentalen Rechte der EU Charta auch in den Mitgliedsländern Geltung erreichen.

Der Menschenrechtskommissar des Europarats5 (seit 2003) und die OSZE6 (seit 2005) "beobachten" Deutschland auf meine Anfrage hin schon, allerdings sind bisher nur im Bund Fortschritte erzielt worden.

Was die Mütter und Väter des Grundgesetzes angeht, sie wollten Deutschland "als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa" (Präambel GG) "auf der Grundlage des Bekenntnisses zu den Menschenrechten" (Artikel 1 (2) GG)), nicht die Erstarrung und Fortführung obrigkeitsstaatlicher Überbleibsel (als einzigem bedeutenden Staat in Europa). Die schütteln den Kopf über den Innenminister und spenden mir Beifall :-)

Mit freundlichen Grüßen

Walter Keim

 

  1.  Fachtagung: “Moderne Verwaltung: Zwischen Informationsfreiheit und Datenschutz” 29. Juni 2005: http://www.lfd.m-v.de/veransta/transpar/index_tr.html
  2.  Klage an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte: http://wkeim.bplaced.net/files/echr-complaint.htm
  3.  Klage an die Vereinten Nationen: http://wkeim.bplaced.net/files/un-0509.htm
  4.  Petition EU Parlament: http://wkeim.bplaced.net/files/petition-hr.htm
  5.  Schreiben des Menschenrechtskommissar des Europarats: http://wkeim.bplaced.net/files/coe-031128.htm
  6.  Schreiben der OSZE: http://wkeim.bplaced.net/files/osce-050106.htm
  7. Die Zeit: "Aufstand der Amtsschimmel": Wie Beamte der Bundesregierung ein Gesetz zur Korruptionsbekämpfung verhindern, http://www.zeit.de/2002/15/Aufstand_der_Amtsschimmel

Kopie:

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Bild unten: Dunkelgrün: Informationsfreiheitsgesetz beschlossen. Hellgrün: Informationsfreiheit nur in Verfassung. Gelb: Gesetz in Vorbereitung. FOIA= Freedom of Information Act (Informationsfreiheitsgesetz)

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