Walter Keim, Email: walter.keim@gmail.com                                      
Torshaugv. 2 C                                              
N-7020 Trondheim, den 10.6.05

An das
Sozialministerium Baden-Württemberg
Abteilung 5: Rechtsaufsicht der Landesärztekammer
Schellingstr. 15
D-70174 Stuttgart

Aktenzeichen: 55-0141.6/13/598
Ihr Brief vom 19.4.05

Betreff: Aufsicht der Landesärztekammer Baden-Württemberg, Akteneinsicht

 

Sehr geehrte Frau Nagel,

ich danke Ihnen für Ihren Brief vom 19.4.05 und Ihren Zwischenbericht vom 21.12.04 und 21.02.04 bezüglich aufsichtsrechtlicher Gespräche mit der Landesärztekammer aufgrund § 8 des Heilberufs-Kammergesetzes wegen meiner Klage vom 29.11.04.

Ich entnehme Ihrem Brief, dass Sie beanstandet haben, dass über mehr als 2 Jahre keine Bestätigung des Eingangs gegeben wurde und die Verfahrensdauer vom 29.10.02 bis zum 17.1.05 zu lang war. Außerdem hätte das Einsichtsgesuch vom 6.6.2000 beantwortet werden müssen. Das begrüße ich. Allerdings verstehe ich nun nicht, was eine angemessene Frist ist. Als Europäer bin ich klarere, leicht verständliche Angaben gewöhnt. (Siehe "Europäischer Kodex für gute Verwaltungspraxis der eine Antwort innerhalb angemessener Zeit nach Artikel 17 unverzüglich und auf keinen Fall später als 2 Monate festlegt. Eine Empfangsbestätigung wird nach Artikel 14 innerhalb von 2 Wochen ausgestellt). Leider geben Ihre Angaben, weder für die Ärztekammer noch für die Patienten klare Vorgaben. Die Landesärztekammer hat am 4.4.05 die Entgegennahme der Beschwerde bestätigt und eine Behandlung für den 27.9.05 angekündigt. Ob das nun innerhalb der von der Rechtsaufsicht zugelassenen Fristen ist? Mein Brief vom 5.5.05 an die Landesärztekammer über Akteneinsicht ist unbeantwortet: Ist das zulässig?

Bezüglich des Antrags auf Akteneinsicht vom 29.10.2004 hätte die Ärztekammer darauf antworten sollen. Es hat mir nicht gefallen, dass ich da von der Ärztekammer keine Antwort bekam und ich fühle denen deshalb mal auf den Zahn mit meinem Brief vom 5.5.05. Sie weisen darauf hin, dass die Vorschriften der Strafprozessordnung analog anzuwenden seien, d. h. Akteneinsicht kann über einen Rechtsanwalt gewährt werden.

Im Fall FOUCHER v. FRANCE (10/1996/629/812) 18 March 1997 vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wurde die Verweigerung der Akteneinsicht ohne Anwalt als Verstoß gegen die Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte (EMRK) Artikel 6 (Faires Verfahren) verurteilt. Deutsche Gerichte verweigerten weiterhin die Akteneinsicht z. B. LG Mainz 1998-10-22, 1 Qs 25/98 in solchen Fällen. Da das gegen Artikel 46 der EMRK: "Die Hohen Vertragsparteien verpflichten sich, in allen Rechtssachen, in denen sie Partei sind, das endgültige Urteil des Gerichtshofs zu befolgen" verstieß, verabschiedete der Bundestag das StVÄG 1999 (BGBl. I 2000 S. 1253) um auch Akteneinsicht ohne Anwalt zugänglich zu machen. Dies wird in Höchstrichterliche Rechtsprechung Strafrecht (HRRS) S. 411 Heft 12 2004 von Stephan Schlegel ausführlich dargestellt.

Einen Rechtsanwalt nehmen zu müssen nur um Akteneinsicht zu bekommen, ist offensichtlich Verbraucher- und Patientenfeindlich und verstößt gegen ein faires Verfahren nach Artikel 6 der EMRK und Akteneinsicht nach Artikel 19 (2) des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte. Außerdem mache ich ein berechtigtes Interesse geltend, da ja die mehr als 2 jährige Verschleppung für mich nicht nachvollziehbar ist. "Es ist in Rechtsprechung und Rechtswissenschaft anerkannt ist, dass die Gewährung von Akteneinsicht zulässig ist und im pflichtgemäßen Ermessen der aktenführenden Behörde steht. Dem korrespondiert ein Anspruch des Einzelnen auf ermessensfehlerfreie Entscheidung". So jedenfalls der Landtag in Baden-Württemberg in seiner Petition 13/824 vom 18.4.03. Diese ermessungsfehlerfreie Abwägung hat die Landesärztekammer nicht vorgenommen. Ich bitte Sie deshalb Ihre Entscheidung zu überdenken und die Landesärztekammer entsprechend zu benachrichtigen.

Für Akteneinsicht einen Rechtsanwalt nehmen zu müssen erinnert an die Behinderung der EU Richtlinie über den freien Aktenzugang zu Informationen über die Umwelt (RL 90/313/EWG), die in Deutschland verspätet umgesetzt wurde Frist war der 31.12.1992; das Gesetz wurde erst am 15. Juli 1994 verkündet. Da die Umsetzung zu restriktiv war und versuchte mit hohen Gebühren das Einsichtsrecht zu behindern und damit hinter der Richtlinie zurück fiel, hat der Europäische Gerichtshof auf Antrag der EU Kommission Deutschland verurteilt (Rechtssache C-217/97) Anpassungen z. B. bei den Kosten vorzunehmen.

Im deutschsprachigen Raum sind Gerichtsentscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) schon lange durch das Österreichische Instituts für Menschenrechte sowie die Informationsplattform von Menschenrechte Schweiz zugänglich. Die Rechtsprechungstätigkeit des EGMR in Straßburg findet bis heute in Deutschland viel zu wenig Beachtung. Und dies, obwohl das BVerfG mit Beschluss vom 14.10.2004, Az. 2 BvR 1481/04 ausdrücklich die Pflicht der bundesdeutschen Gerichtsbarkeit zur "Berücksichtigung" der Straßburger Rechtsprechung festgestellt hat. Seit 2004 ist jedoch auf der Internetseite: http://www.egmr.org/ ein Fundstellenverzeichnis der Urteile und Entscheidungen des EGMR in deutscher Sprache für Alle leicht zugänglich geworden.

Die UN, OSCE und AOS bestätigten in ihrer gemeinsamen Erklärung vom 6.12.2004, dass der Zugang zu amtlichen Informationen ein Menschenrecht ist:

The right to access information held by public authorities is a fundamental human right which should be given effect at the national level through comprehensive legislation (for example Freedom of Information Acts) based on the principle of maximum disclosure, establishing a presumption that all information is accessible subject only to a narrow system of exceptions.

Nachdem der Bundestag im letzten größeren Land in Europa 3.6.05 die Informationsfreiheit beschlossen hat, kann die CDU/CSU diesen Forschritt immer noch blockieren. Leider fehlt der CSU der Sachverstand völlig in dieser Frage. Wann wird Süddeutschland lernen, das Menschenrecht der allgemeinen Akteneinsicht (Informationsfreiheit) zu respektieren?

Mit freundlichen Grüßen

Walter Keim
Informationsfreiheitsgesetz ohne Wenn und Aber: http://wkeim.bplaced.net/files/ifg-anhoerung.htm
Wer trägt die Verantwortung, dass Patientenrechte defizitär sind: http://wkeim.bplaced.net/anklage.htm
Support patients rights:
http://wkeim.bplaced.net/patients.htm#e-mail

Kopie: Patientenbeauftragte.

Anlage:

  1. 29.10.04: Brief an LAK
  2. 29.10.04: Brief an Kammeranwalt
  3. 19.04.05: Brief des Sozialministeriums über aufsichtsrechtliche Maßnahmen.
  4. 05.05.05: Brief an Landesärztekammer.

PS: Auf diese Seite können Sie gerne linken. Ich übernehme keine Gewähr für die Richtigkeit der von mir gegebenen Informationen.

Briefe des Sozialministeriums:

24.12.04: Landesärztekammer wurde angeschrieben.
21.02.04: Das Sozialministerium weiß noch nichts Neues.
19.04.05: Aufsichtsrechtliche Bewertung des Sozialministeriums.


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Anlage: Wie wird die Karte der Informationsfreiheit in Europa aussehen?

Bild unten: Dunkelgrün: Informationsfreiheitsgesetz beschlossen. Hellgrün: Informationsfreiheit nur in Verfassung. Gelb: Gesetz in Vorbereitung. FOIA= Freedom of Information Act (Informationsfreiheitsgesetz).

Die Koalitionsparteien haben am 3.6.05 im Bundestag die Informationsfreiheit beschlossen. Wenn die Blockadepolitik der CDU/CSU im Bundesrat gelingt, wird ganz Deutschland der Schandfleck Europas:

 IFGs in Europa: Hier klicken für Vergrösserung Informationsfreiheit in Europa

Wenn die FDP gemäß ihrer Verpflichtung zu Bürgerrechten sich der Blockpolitik widersetzt wird nur Süddeutschland der Schandfleck in Europa sein:

Informationsfreiheitgesetze in Europa