Warum stellt sich das Bundesverwaltungsgericht gegen den Gedanken des "Raums der Freiheit" (KOM (2002) 247) mit "Garantien für die Achtung (...) der Menschenrechte" in Europa siehe Agentur der Europäischen Union für Grundrechte COM(2005)280)?
Walter Keim
Torshaugv. 2 C
N-7020 Trondheim, den 18.4.2006
Bundesverwaltungsgericht
Simsonplatz 1
D-04107 Leipzig
Betreff: Bietet das Bundesverwaltungsgericht die Gewähr dafür sich jederzeit für das Menschenrecht der Informationsfreiheit einzusetzen? Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts, BVerwG 3 B 126.05
Sehr geehrte Damen und Herren,
mit Verwunderung habe ich den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts, BVerwG 3 B 126.054 in der Verbraucherbetrug als Geschäftsgeheimnis geschützt wird. Damit wurde der Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 22. Juni 2005, Az: 4 LB 30/04, rechtskräftig: "Weil der Verbraucherschutz kein Rechtsgut von Verfassungsrang ist, muss er grundsätzlich hinter von Art. 14 GG (Eigentumsrecht) geschützten Rechtspositionen zurücktreten und kann auch im vorliegenden Einzelfall die Belange der betroffenen Unternehmen nicht überwiegen."
Das Bundesverwaltungsgericht lässt die Revision nicht zu (Beschluss BVerwG 3 B 126.05), da "das Berufungsgericht (Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein) sich nicht durch Bundesrecht gebunden gesehen" hat. Da es Landesrecht ausgeführt hat, führt das nicht zur Revisibilität". Dies ist offensichtlich falsch, da hier mit einem antiquierten Eigentumsbegriff irrtümlich ins Grundgesetz (Bundesrecht) projiziert das Informationsfreiheitsgesetz des Landes Schleswig-Holstein ausgehebelt wird. Dabei wird das Menschenrecht des Zugangs zu Dokumenten der öffentlichen Verwaltung mit Füssen getreten.
Demokratie kommt aus dem griechischen und bedeutet Volksherrschaft. Die Bürger sind der Souverän (Art. 20 GG: "Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus"). Um diese Herrschaft verantwortungsvoll und fundiert auszuüben sind zur Ausübung des Wahlrechts und Begründung der Meinungen gut fundierte Informationen notwendig. Daraus leitet sich auch das demokratische Grund- und Menschenrecht des Zugangs zu Dokumenten der öffentlichen Verwaltung her.
Zunächst möchte mich auf die Seite
der UNO: http://www.runiceurope.org/german/menschen/udhr_template.htm
beziehen. Dort steht in Bezug auf Menschenrechte:
"Alle Menschen verfügen von Geburt an über die gleichen, unveräußerlichen Rechte und Grundfreiheiten.
...
In der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte haben die Vereinten Nationen in klaren und einfachen Worten jene Grundrechte verkündet, auf die jedermann gleichermaßen Anspruch hat.
Auch Sie haben Anspruch auf diese Grundrechte. Es sind auch ihre Rechte.
Machen Sie sich mit ihnen vertraut. Helfen Sie mit, diese Grundrechte für sich selbst und für Ihren Nächsten zu fördern und zu verteidigen."
Das habe ich versucht zu tun.
Am Anfang stand dabei das Menschenrecht auf Zugang zu Dokumenten der öffentlichen Verwaltung1.
Die Informationsfreiheit (einschließlich des Zugangs zu Dokumenten der öffentlichen Verwaltung) ist Teil der Meinungsfreiheit und durch international anerkannte Menschenrechte speziell des Artikel 19 des Internationaler Paktes über bürgerliche und politische Rechte (IPbürgR, BGBl. 1973 II S. 1534) geschützt. Diesem Pakt ist Deutschland beigetreten, verletzt ihn aber bisher in 12 Bundesländern. Im Bund gibt es erst seit 1.1.2006 ein Informationsfreiheitsgesetz und war damit eines der letzten zivilisierten Länder.
Gem. Art. 19 Abs. 4 GG steht jedem, der durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt wird, der Rechtsweg offen. Dies gilt nicht nur für Verletzungen der Grundrechte, sondern für alle in der deutschen Rechtsordnung geschützten Rechte. Somit erfasst die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG auch Fälle, in denen der Staat unmittelbar wirksame internationale Menschenrechtsnormen verletzt, die gem. Art. 59 Abs. 2 Bestandteil des innerstaatlichen Rechts sind. Der deutsche Rechtsanwender ist über Art. 20 Abs. 3 GG ("die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden") an die transformierten Vorschriften des Völkerrechts gebunden. Aus der Vorschrift folgt übrigens auch die Pflicht, sich mit Inhalt und Auslegung dieser Vorschriften vertraut zu machen.
Die UN, OSZE und AOS bestätigten in ihrer gemeinsamen Erklärung vom 6.12.2004, dass der Zugang zu amtlichen Dokumenten ein Menschenrecht ist:
The right to access information held by public authorities is a fundamental human right which should be given effect at the national level through comprehensive legislation (for example Freedom of Information Acts) based on the principle of maximum disclosure, establishing a presumption that all information is accessible subject only to a narrow system of exceptions.
Mehr als 65 Staaten sowohl in der EU, in Europa, der OSZE, der OECD sowie alle entwickelten zivilisierten Länder kennen die Informationsfreiheit. Mehr als die Hälfte dieser Staaten hat dieses Menschenrecht in der Verfassung verankert. Darüber hinaus haben ca. 40 Staaten entsprechende Verfassungsgarantien ohne konkrete gesetzliche Ausformung. In mehr als 25 Ländern werden solche Gesetzentwürfe diskutiert. Im Grundrechte-Report 2006 ist Transparenz nach dem (Bundes-)Informationsfreiheitsgesetz aufgenommen.
Da sich weder das Verwaltungsgericht Berlin (VG 2 A 85.04) noch das Verfassungsgericht (1 BvR 1981/05) auf den Boden des europäischen Raums der Freiheit gestellt hat, wurde am 11.11.05 der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) angerufen. Leider bietet das Verfassungsgericht nicht die Gewähr dafür, sich jederzeit für die Menschenrechte einzusetzen und steht nicht auf dem Boden des VERTRAGS ÜBER DIE EUROPÄISCHE UNION (Artikel 6), der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (AMRE) Artikel 19, des IPbürgR Artikel 19 und der Charta der Grundrechte der EU Artikel 421.
Auch der Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts, BVerwG 3 B 126.05 leidet an der gleichen Krankheit. Hier wird das Menschenrecht des Zugangs zu Dokumenten der öffentlichen Verwaltung geopfert, zum Vorteil von Betrügern. Das schwächt auch die deutsche Exportindustrie, da sie im Ausland keine von der Justiz und vom Staat für dumm verkauften Verbraucher findet.
Diese Menschenrechtsverletzung war nicht die Einzige:
Das Deutsche Institut für Menschenrechte wurde aufgrund von Vorschlägen der VN gegründet. Auch das Ministerkomitee des Europarats hat 1997 eine unabhängige nationale Institutionen zur Förderung der Menschenrechte empfohlen (Recommendation No. R (97) 14). Der erste Direktor Percy MacLean musste zurücktreten, da er auch (wie vom Europarat und den VN gewünscht) innenpolitische Themen aufgriff. Im Aufsatz "Das Deutsche Institut für Menschenrechte - Vision und Wirklichkeit" wird die Frage gestellt: Wie soll es nach dem erzwungenen Rücktritt des ersten Direktors weitergehen?. Deshalb habe ich das einfach selber untersucht und im Internet publiziert2.
Beispielsweise gilt das Rechtsberatungsgesetz aus dem Jahre 1935 immer noch. Jüdischen Anwälte wurden damals nicht nur aus der Anwaltskammer verbannt, zusätzlich wurde die unentgeltliche Beihilfe verboten. Ein Nürnberger Richter verurteilte im Jahr 2000 einen Integrationshelfer, weil er jüdische Flüchtlinge juristisch beraten hat. Diese unentgeltliche Unterstützung wird als Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz von 1935 geahndet. Diese Verletzung der Meinungsfreiheit (Artikel 10 EMRK) und Vereinigungsfreiheit (Artikel 11 EKMR) ist nun die Beschwerde Nr. 40901/02 beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Die Süddeutsche Zeitung schreibt am 14 Juni 2003: Der lange Atem eines Nazi-Gesetzes 3. Das Anwaltsmagazin berichtet in der Ausgabe: 13/2003: Nazi-Gesetz und kein Ende. Weltweit ist Deutschland der einzige Staat, in dem altruistisches Handeln im Bereich der Rechtsberatung verboten ist. Wie verlogen die Schutzbehauptung dadurch würde der Verbrauche geschützt ist, zeigte der "Robin Hood" der deutschen Justiz Dr. Helmut Kramer, Richter am Oberlandesgericht a. D. durch eine Selbstanzeige. Das Verfassungsgericht legte ihm rein: Nun dürfen nur Richter altruistischen Rechtsrat geben. Das geht dem um eigene Pfründe besorgten Deutschen Juristentag zu weit.
Legt man die selben Grundsätze zum Schutz von Menschenrechten an, die der Staat an seine Beamten anlegt, lautet das Ergebnis:
Die legislative, exekutive und judikative Gewalt bietet nicht die Gewähr dafür, sich jederzeit für die Menschenrechte einzusetzen und steht nicht auf dem Boden des VERTRAGS ÜBER DIE EUROPÄISCHE UNION (Artikel 6), der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, des IPbürgR, der europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und der Charta der Grundrechte der EU.
Das Grundrecht der Informationsfreiheit ist wie das Grundrecht der freien Meinungsäußerung eine der wichtigsten Voraussetzungen der freiheitlichen Demokratie (vgl. BVerfGE 7, 198 [208]). Traditionell wird die Informationsfreiheit durch Art. 5 GG gesichert. Nach BVerfGE 27, 71 sind Quellen allgemein zugänglich, "wenn die Informationsquelle technisch geeignet und bestimmt ist, der Allgemeinheit, d. h. einem individuell nicht bestimmbaren Personenkreis, Informationen zu verschaffen." Informationsfreiheitsgesetze in Schleswig-Holstein und im Bund schaffen solche Jedermannsrechte und damit eine neue Situation. Dort wird gesetzlich bestimmt: "Jeder hat nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen.", d. h. ein "Jedermannsrecht". Dadurch werden diese Vorgänge und Dokumente zur allgemein zugänglichen Quelle. Zusätzlich kann nach der Entscheidung des Verfassungsgerichts BVerfGE 103, 44 (61, 63 ff.) Allgemeinzugänglichkeit auch aus Demokratieprinzip und Rechtsstaatsprinzip geboten sein. Eine moderne Auffassung von Rechts- und Demokratieprinzips verpflichtet zur Transparenz. BVerfGE 103, 44 (61): "Legt der Gesetzgeber die Art der Zugänglichkeit von staatlichen Vorgängen und damit zugleich das Ausmaß der Öffnung dieser Informationsquelle fest, so wird in diesem Umfang zugleich der Schutzbereich der Informationsfreiheit eröffnet." Beispielsweise normiert § 169 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) für die ordentliche Gerichtsbarkeit den Grundsatz der Gerichtsöffentlichkeit.
Auf der Grundlage eines gesetzlichen Jedermannsrechts zu Dokumenten der öffentlichen Verwaltung (sowohl im Bund als auch in Schleswig-Holstein), kombiniert mit Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip unterliegt die Verwaltung Transparenz und Publizitätsanforderungen die verfassungsrechtlich fundiert sind. Damit werden die Ausnahmen in Informationsfreiheitsgesetzen (Datenschutz, Geheimschutz) zur im Grundgesetz in Artikel 5 (2) geforderten gesetzlichen Grenze für die Informationsfreiheit. Eine gesetzlich ausgestaltete Begrenzung, die die Geheimhaltung weiterer Dokumente bestimmt, besteht nämlich nicht.
Im europäischen Raum der Freiheit stehen "Garantien für die Achtung (...) der Menschenrechte" der Bürger (Souverän) z. B. Meinungs- und Informationsfreiheit höher als ein Staat, der Betrüger schützt und seine Bürger zu Untertanen erniedrigt. Stellt das Bundesverwaltungsgericht den Staat über seinem Souverän? Gelten Menschenrechte nicht in Deutschland?
Wo bleibt Ihr Bekenntnis zu den "unverletzlichen und unveräußerlichen" Menschenrechten (Artikel 1 (2) GG)? Bei mir haben Sie jedenfalls Zweifel ob Sie jederzeit die Gewähr dafür bieten sich für Menschenrechte einzusetzen nicht ausgeräumt sondern verstärkt.
Mit freundlichen Grüßen
Walter Keim
Deutschland, die verspätete Nation: http://www.heise.de/tp/deutsch/special/frei/16121/1.html:
Deutschlands Defizit bei der Informationsfreiheit
Promotion of Human Rights in Germany: http://wkeim.bplaced.net/files/pace-complaint.htm,
http://wkeim.bplaced.net/files/echr-complaint.htm
and http://wkeim.bplaced.net/files/petition-hr.htm
Kopie:
Anlagen:
Antworten:
[Menschenrechtsverletzungen in Deutschland] [Rechtsberatungsgesetz] [Informationsfreiheit] [Patientenrechte in Europa] [Petitionen] [Homepage]
Anlage: Informationsfreiheit in Europa. Bild unten: Dunkelgrün: Informationsfreiheitsgesetz beschlossen. Hellgrün: Informationsfreiheit nur in Verfassung. Gelb: Gesetz in Vorbereitung. Access to Information Law = Informationsfreiheitsgesetz.