„Zugang zu
Informationen der Behörden ist ein fundamentales Menschenrecht, das
auf nationaler Ebene durch eine umfassende Gesetzgebung
gewährleistet sein muss, die auf dem Prinzip der größtmöglichen
Offenlegung basiert".
UN, OSZE und OAS Sonderbeauftragte für den
Schutz der Meinungsfreiheit 2004
in English on same subject: http://wkeim.bplaced.net/files/ifg-5-laender-en.htm
Walter Keim, Email: walter.keim@gmail.com
Almbergskleiva 64
NO-6657 Rindal,
den 29.3.2014
Fraktionen im
Landtag von Baden-Württemberg
Haus des Landtages
Konrad Adenauer Str. 3
D-70173 Stuttgart
Kopie: Landespressekonferenz, Innenminister
Gall, Ministerpräsident Kretschmann,
Deutsche Liga für Menschenrechte e.V.,
Internationale Liga für Menschenrechte, Amnesty und das
Deutsche
Institut für Menschenrechte
Betreff: IFG in Baden-Württemberg: 3 Jahre
warten auf einen Ladenhüter?
Sehr geehrte Damen und Herren,
die Presse
berichtet, dass Innenminister Reinhold Gall (SPD) dem Kabinett im Februar
Eckpunkte für ein Informationsfreiheitsgesetz vorstellte.
Gall hatte zuletzt darauf verwiesen, dass er erst die Evaluation des Gesetzes auf Bundesebene und die ersten Erfahrungen anderer Bundesländer abwarten wolle. Nach den Worten von Finanzminister Nils Schmid (SPD) wird sich das baden-württembergische Gesetz "im Mainstream" der Gesetze von Bund und Ländern bewegen.
Allerdings wurde die "Evaluation des Gesetzes zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes schon am 22.5.2012 abgeschlossen. In anderen Bundesländern liegen Erfahrungen in Brandenburg schon seit 1998 vor. Weltweit aus Schweden schon seit 1766 und nun in 100 Staaten.
Hier handelt es sich also um faule Ausreden. Nach gewonnener Wahl im
Frühjahr 2011 sollten die Bürger Baden-Württembergs „schon bald
umfassenden Einblick in Verwaltungsvorgänge“ bekommen (Anlage D).
Grüne und SPD wollten das im Koalitionsvertrag
vorgesehene Informationsfreiheitsgesetz (IFG) „rasch“ im Jahre 2011 auf
den Weg bringen.
Besonders enttäuschend ist das Fehlen der proaktiven Veröffentlichungspflicht. In Hamburg hat das Bündnis "Transparenz schafft Vertrauen" eine Volksinitiative auf den Weg gebracht, die von der Bürgerschaft weitgehend übernommen wurde und ein sehr fortschrittliches Transparenzgesetz mit proaktiven Veröffentlichungen durchgesetzte. Auch in NRW, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Baden-Württemberg, Bremen und Bayern gibt er ähnliche Bestrebungen für Transparenzgesetze.
Das Innenministerium beantwortete die Akteneinsicht unter Hinweis auf den Menschenrechtscharakter des Informationszugangs zur Petition 15/2078 für ein IFG (Anlage 1) am 23.5.2013 (Anlage 2) im Wesentlichen so:
"Nach Prüfung ihrer Ausführungen besteht nach derzeitiger
Rechtslage in Baden-Württemberg kein Rechtsanspruch auf Übersendung der
von Ihnen erbetene Stellungnahme."
Damit
wird der Menschenrechtscharakter des Zugangs zu amtlichen Dokumenten
aufgrund Artikel 10
der europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte (EKMR) und Artikel 19 (2) Internationaler Paktes über bürgerliche und
politische Rechte (Zivilpakt) bestritten.
Der Zugang zu Dokumenten der öffentlichen Verwaltung ist nun ein
anerkanntes Menschenrecht gemäß Zivilpakt [6,
9, 10,
13] und der Rechtsprechung
des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte [11]
aufgrund der Europäischen Konvention für Menschenrechte (EKMR) [7,
16], wird international als Voraussetzung für die Demokratie angesehen und
ist wichtig im Kampf gegen Korruption [12].
Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte (25.6.2013): CASE
OF YOUTH INITIATIVE FOR HUMAN RIGHTS v. SERBIA (Application no. 48135/06)
nimmt Bezug auf den Zivilpakt und gemeinsame Erklärung der UN, OSZE und
AOS Sonderbeauftragten für den Schutz der Meinungsfreiheit vom 6.12.2004 [14].
Am 13.03.2014 [17]
wurde Verfassungsbeschwerde gegen das Fehlen des Menschenrechts des
Informationszugangs in Bayern eingelegt.
Von der Zivilgesellschaft (E)
wurde am 6.6.2013 von Netzwerk Recherche der Gesetzentwurf für ein
Transparenzgesetz für Baden-Württemberg präsentiert (Anlage
3). Die österreichische Initiative Transparenzgesetz.at wird sowohl von der
Österreichischen Liga für Menschenrechte, Amnesty Österreich als auch dem
Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte unterstützt.
Deshalb geht eine Kopie dieses Briefes auch an die Deutsche
Liga für Menschenrechte e.V., Internationale
Liga für Menschenrechte, Amnesty
und das Deutsche
Institut für Menschenrechte (Anlage
4).
Legt man internationale Mindeststandards maximaler Offenheit, rascher
Antwort und geringer Kosten beim Menschenrecht Informationszugang zugrunde
haben 88 Saaten mit ca.
5,5
Milliarden, d. h. 78 % der Bürger auf der Welt haben ein besseres
Informationsfreiheitsgesetz als deutsche Bürger im Bund (http://www.rti-rating.org/country-data/).
Deshalb ist für den Vorschlag eines IFG für Baden-Württemberg eine
Orientierung am Mainstream nicht zielführend. Das reicht nur für eine
Schlusslichtposition international.
In Norwegen werden schnelle kostenlose Antworten so umgesetzt:
125 Staaten (https://www.rti-rating.org/country-data/) mit mehr als 5,9 Milliarden Einwohnern, d. h. 84% der Weltbevölkerung haben entweder Informationsfreiheitsgesetze oder entsprechende Verfassungsbestimmungen und damit bessere generelle Einsichtsrechte (über den Anwendungsbereich von Verbraucherinformation und Umweltinformation hinaus) als Baden-Württemberg.
Laut Artikel 1
(2) GG sind die "unverletzlichen und unveräußerlichen
Menschenrechten (...) Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft", was ich
bei der Erarbeitung eines IFG bitte zu berücksichtigen. Ich fordere die Regierung zum Mut auf das zu realisieren und
dass der Landtag dies erst nimmt und dem Innenministerium
Baden-Württemberg auf die Sprünge hilft.
Mit freundlichen Grüßen
Walter Keim
Kopie: Landespressekonferenz, Deutscher Presserat (Ist der Handlungsbedarf zu übersehen?), 4 Bundesländer ohne Informationsfreiheitsgesetze, Fraktionen Landtag Baden-Württemberg
Anlagen:
Antworten:
Anlagen im Internet publiziert:Internet:
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Anlage: Süddeutschland der Schandfleck bezüglich der Informationsfreiheit in Europa. Bild unten: Dunkelgrün: Informationsfreiheitsgesetz beschlossen. Hellgrün: Informationsfreiheit nur in Verfassung. Gelb: Gesetz in Vorbereitung. Access to Information Law = Informationsfreiheitsgesetz.