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Der Erfolgreichste im Leben ist der, der am Besten informiert ist. (Benjamin Disraeli)

Frei nur ist, wer seine Freiheit gebraucht. (Präambel der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft)

English in English: http://wkeim.bplaced.net/files/070102bp-en.htm

Walter Keim, Email: walter.keim@gmail.com
Torshaugv. 2 C
N-7020 Trondheim, den 2. 1. 2007


Bundespräsident
Bundespräsidialamt z. Hd. von Referatsleiter Professor Pieper
Spreeweg 1
D-10557 Berlin

Copy: Commissioner for Human Rights Council of Europe, EU Commission, EU Parliament, EU Council, OSCE, OECD, PACE and UN

Betreff: Akteneinsicht: Bietet der Bundespräsident die Gewähr sich jederzeit für das Menschenrecht der Informationsfreiheit einzusetzen? Warum wurde Verbraucherinformationsgesetz gekippt und damit den Bürgern das Menschenrecht auf Informationszugang verwehrt?   

 

Sehr geehrter Herr Professor Pieper, 

Ich beantrage Akteneinsicht gemäß dem Gesetz zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes (IFG, BGBl. I S. 2722) in den Brief des Präsidialamtes an die Bundesregierung/Bundestag/Bundesrat, da die Offensichtlichkeit eines Verstoßes gegen die Verfassung bisher nicht öffentlich aufgezeigt wurde. Das Verfassungsgericht verhandelt in der Regel öffentlich und macht seine Entscheidungsgründe auf jeden Fall öffentlich zugänglich.

Das durch das Verbraucherinformationsgesetz verfolgte Ziel, als Konsequenz aus den Lebensmittelskandalen der letzten Zeit die Informationsansprüche der Verbraucherinnen und Verbraucher zu stärken und mehr Transparenz zu schaffen, ist aber aktueller denn je und bedarf weiterhin dringend einer möglichst umfassenden Regelung

Ich beziehe mich auf die Pressemitteilung des Bundespräsidialamt vom 8.12.06 dass das Verbraucherinformationsgesetz nicht ausgefertigt wurde und in der von einem gleichlautenden Schreiben an die Bundesregierung, den Bundesrat und den Bundespräsidenten die Rede ist. Presseberichte sind völlig widersprüchlich in der Beurteilung, ob offensichtliche Verfassungswidrigkeit vorliegt und ob die Kompetenzen des Bundespräsidenten überschritten (SZ, 11.12.06: "Veränderte Rolle: Der Bundespräsident als Verfassungsrichter") sind oder nicht. Kann der Zugang zum Brief Klarheit in die Begründung der Verweigerung der Unterzeichnung bringen? Warum sind die Juristen der Regierung und die Juristen des Bundespräsidenten so total uneinig? Wird in Zukunft der Vertreter des Präsidialamts bei den Kabinettsitzungen, die graue Eminenz der deutschen Politik? Welche "Arbeitsebenen" gibt es zur "frühzeitigen Einflussnahme"?

Der Berliner Staatsrechtler Hans Meyer hat Bundespräsident Horst Köhler vorgeworfen, die Verfassung zu verletzen (focus, 20.12.06). Der Spiegel (Heft 51/2006, S.29) spricht davon, dass es Gerüchte gibt, dass der Ökonom Köhler "den Expertisen eines ehrgeizigen, etwas größenwahnsinigen Juristen zum Opfer gefallen" sei.

Ich beziehe mich auch auf meinen eingeschriebenen Antrag auf Akteneinsicht vom 2.12.06, da ich nicht sehen kann eine Antwort bekommen zu haben. Was hat das Präsidialamt zu verbergen?

Weiter beziehe ich mich auf meinen Brief vom 21.11.06 mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (Fünfte Sektion), Rechtssache Sdruženi Jihoceské Matky gegen Tschechische Republik, Antrag Nr. 19101/03 vom 10. Juli 2006 das "eine ausdrückliche und unleugbare Anerkennung der Anwendung von Artikel 10 im Falle einer Verweigerung eines Antrags auf Zugang zu öffentlichen oder behördlichen Dokumenten enthält". Auch die Rechtssache GERAGUYN KHORHURD PATGAMAVORAKAN AKUMB v. ARMENIA: Antrag Nr. 11721/04 vom 11. April 2006 bestätigt diese Rechtsprechung. Auch mit dem Antrag Nr. 41126/05 Keim gegen Deutschland beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wird die Durchsetzung des Menschenrechts der Informationsfreiheit verfolgt. Zusätzlich ist Deutschland zur Informationsfreiheit (inklusive Zugang zu Informationen der öffentlichen Verwaltung) verpflichtet, das auch ein Menschenrecht ist und aufgrund Artikel 19 (2) Internationaler Paktes über bürgerliche und politische Rechte (IPbürgR) i.V. m. Art. 59 Abs. 2 GG und Art. 20 (3) GG in deutsches Recht transformiert wurde. Damit handelt es sich nicht um eine verbotene Übertragung von Aufgaben.

Die Informationsfreiheit (einschließlich des Zugangs zu Dokumenten der öffentlichen Verwaltung) ist Teil der Meinungsfreiheit und auch durch international anerkannte Menschenrechte speziell des Artikel 19 des Internationaler Paktes über bürgerliche und politische Rechte (IPbürgR, BGBl. 1973 II S. 1534) geschützt.

In ca. 70 Staaten ist der Zugang zu Dokumenten der öffentlichen Verwaltung in der Verfassung verankert. Weitere ca. 40 Staaten haben dieses Menschenrecht gesetzlich verankert. Damit ist diese Menschenrecht in mehr als die Hälfte der Staaten in der Welt realisiert das gemäß Art. 59 Abs. 2 GG Bestandteil des Bundesrechts ist.

Akteneinsicht durch Zusendung einer Kopie des Briefes des Präsidialamtes an die Bundesregierung/Bundestag/Bundesrat wird beantragt aufgrund § 1 des Gesetzes zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes (IFG, BGBl. I S. 2722):

(1) Jeder hat nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen.

Nach § 7 (5) IFG ist die Information dem Antragsteller "unverzüglich zugänglich zu machen. Der Informationszugang soll innerhalb eines Monats erfolgen." Dies ist für den Antrag vom 2.12.06 jedoch nicht geschehen.

In der Pressemeldung heißt es zur Begründung: "In der Verpflichtung der kommunalen Behörden, Anträge nach dem Verbraucherinformationsgesetz auf Herausgabe von Informationen zu prüfen und zu bescheiden, liegt eine Aufgabenübertragung i. S. des Art. 84 I 7 GG" da es "allein darauf (ankommt), ob bei einer Stelle entsprechende Informationen vorhanden sind."

Da diese von 3 Bundesländern geäußerten Bedenken Sache des Verfassungsgerichtes sind und kein schwerer, offenkundiger und eindeutiger Verfassungsverstoß darstellen, ist diese keine ausreichende Begründung für die Verweigerung der Verkündung.

Weiter enthält die Pressemeldung folgende Aussage: "Nach Auffassung des Bundespräsidenten kann den berechtigten Belangen des Verbraucherschutzes sehr schnell durch die erneute Verabschiedung des Gesetzes ohne die verfassungsrechtlich unzulässige Aufgabenzuweisung Rechnung getragen werden."

Die Begründung dokumentiert mangelnde juristische Kompetenz und auch zusätzlich politische Unwissenheit. Wenn der Bundespräsident dem Bund abspricht Gemeinden die "Herausgabe von Informationen aufzuerlegen" müssen ja wohl die Bundesländer die Gemeinden gesetzlich verpflichten. Diese Meinung vertritt auch der Deutsche Städte- und Gemeindebund der jetzt die Länder am Zug sieht. Es werde ihre Aufgabe sein, den Informationsanspruch für die Verbraucher gesetzlich zu verankern, sagte Geschäftsführer Gerd Landsberg. Im Verhältnis zu den Ländern gelte der Grundsatz "Wer bestellt, der bezahlt (Konnexitätsprinzip)".

8 von 16 Bundesländern verweigern den Bürgern das Menschenrecht auf Informationszugang. Wer die Diskussion um Informationsfreiheitsgesetze in den Bundesländern verfolgt hat weiß, dass die Gemeinden und ihre Organisationen auch in den Ländern dagegen sind. Dabei wird mit dem Vorurteil hoher Kosten argumentiert, das in 70 Ländern, im Bund und in 8 Bundesländern widerlegt ist. Der Bundespräsident ist da den Amtsschimmeln und Funktionären des Deutschen Städte- und Gemeindebund, des Städtetag und des Landkreistages aufgesessen. Freuen können sich darüber nur die Gammelfleischbetrüger.

Verwaltungen in aller Welt wollen sich nicht gerne in die Karten schauen lassen und versuchen deshalb die allgemeine Akteneinsicht zu erschweren. Dabei beziehe ich mich auch auf mehr als 200 Jahre Erfahrung mit der Informationsfreiheit in Schweden. Die schwedische Verwaltung hat ihren Widerstand nicht aufgegeben. Das schwedische Parlament kommt zum Ergebnis, dass man streng sein muss: "Doch die Vorschriften sind so deutlich abgefasst, die Einsichtnahme des Ombudsmannes des Reichstags so streng und die Tradition so alt, dass diesem Widerstand im Ernstfall nicht nachgegeben wird". Mir scheint diese Frage ist geradezu ein Lackmustest, der das Kräfteverhältnis beschreibt und zeigt ob ein Parlament stark genug ist Bürgerrechte durchzusetzen.

In Deutschland haben Parlamente in Schleswig-Holstein, Berlin, im Bund und Hamburg dieses Problem so gelöst, dass sie selber Informationsfreiheitsgesetze gegen den Willen der jeweiligen Regierungen verabschiedet haben.

Allerdings wird es sicher viele Jahre dauern bis das letzte Bundesland hier nachzieht. In der Rechtssache Keim gegen Deutschland beim europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Antrag Nr. 41126/05 kann in einigen Jahren mit der Zulassung gerechnet werden und dann kann dieser Versuch sogar noch schneller Deutschland auf den rechten Weg zu bringen.

In Umfragen befürworteten ca. 81% (Forsa) bis 94% der Bevölkerung (OmniQuest), Informationen über Verkäufer von z. B. Gammelfleisch zu bekommen.Der Bundestag (Volksvertretung) hat das Gesetz mit zweidrittel Mehrheit beschlossen und der Bundesrat hat zugestimmt.

Da die Presseerklärung vom 8.12.06 also sowohl juristisch als auch inhaltlich unzureichend begründet ist, wird die Zusendung des Briefes des Bundespräsidenten an die Bundeskanzlerin, dem Präsidenten des Deutschen Bundestages und dem Präsidenten des Bundesrates beantragt.

Demokratie ist in Deutschland mit Art. 20 GG: "Alle Staatsgewalt geht von Volk aus." verankert und drückt damit deutlich die Macht der Volksvertretung im Gesetzgebungsprozess. Es wäre gegen alle Regeln der Demokratie den Bürgern weiterhin dieses Menschenrecht verweigern zu wollen. Hilfsweise müssen unter allen Umständen die Gründe der Nichtausfertigung offen gelegt werden.

Da sowohl die Bundesregierung als auch der Bundespräsident von der Volksvertretung gewählte Vertreter der Exekutive sind, drängen sich aus dem Vorgang ernste Fragen für den Wähler, den Souverän in einer Demokratie. Kann der Bundesregierung/Bundestag/Bundesrat wirklich ein schwerer, offenkundiger und eindeutiger Verfassungsverstoß unterlaufen, der einzig einer Verkündigung im Wege stehen kann? Das kam in den letzten 15 Jahren nur dreimal vor und in der Geschichte der Bundesrepublik nur 8 mal.

Das Parlament des Vereinigten Königreiches Großbritannien und Nordirland ist völlig souverän und duldet keine Gerichte und Juristen die Gesetze verfassungswidrig erklären dürfen. Die Queen unterschreibt alle Gesetze. Das Norwegische höchste Gericht ist zurückhaltend Gesetze zu kippen. Auch der norwegische König hat Respekt vor der Volksvertretung und unterschreibt Alles. Als im Jahre 1905 der Schwedisch-norwegische König was nicht unterschrieben hat, beschloss das norwegische Parlament, dass er sich damit selber abgesetzt hat und Norwegen war unabhängig. Sowohl in Norwegen (Status der Menschenrechte im norwegischem Recht vom 21. Mai (Gesetz Nr. 30) 1999) als auch Großbritannien (Human Rights Act 1998) sind Menschenrechte als über nationalen Gesetzen stehend eingesetzt von den Parlamenten. Deutschland hat zwar unterschrieben die Bindungswirkung Europäische Menschenrechtskonvention zu respektieren. Der Präsident des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), Luzius Wildhaber, hat Deutschland zur Umsetzung der Straßburger Urteile ermahnt: Deutschland solle sich "näher mit dem System der Menschenrechtskonvention befassen", sagte Wildhaber am 8.12.06 im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AFP. Die sich anbahnende (Verfassungs-)Juristenherrschaft in Deutschland verletzt Menschenrechte und bekommt nicht hin, dass die Informationsfreiheit (von ca. 90 % der Bevölkerung befürwortet bei Lebensmitteln) umgesetzt wird.

Laut Artikel 1 (2) GG sind die "unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten (...) Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft". Artikel 46 der Konvention für Menschenrechte lautet ""Die Hohen Vertragsparteien verpflichten sich, in allen Rechtssachen, in denen sie Partei sind, das endgültige Urteil des Gerichtshofs zu befolgen." Damit ist das Menschenrecht des Zugang zu Informationen der öffentlichen Verwaltung auch in Deutschland juristisch durchsetzbar. Das gilt sowohl für Informationen über Lebensmittel als auch Briefe des Bundespräsidenten.

Mit freundlichen Grüßen

Walter Keim
Keim gegen Deutschland Antrag Nr. 41126/05 beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte: http://wkeim.bplaced.net/files/echr-061101.htm 

Kopie: Bundeskanzlerin, Bundestagspräsident, Bundesrat, Bundestagsabgeordnete, Verbraucherkommission, foodwatch, Verbraucherzentrale, Deutscher Presserat, Deutsche Presse, TV Stationen, Kopien auch an 8 Bundesländer ohne Informationsfreiheitsgesetze

Anlage:

  1. Brief vom 21.11.06 an Bundespräsidenten: Ausfertigung und Verkündung des Verbraucherinformationsgesetzes: Werden 90% der Bevölkerung überstimmt? http://wkeim.bplaced.net/files/061121bp.htm
  2. Keim gegen Deutschland Antrag Nr. 41126/05 beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte: http://wkeim.bplaced.net/files/echr-061101.htm
  3. 11. April 2006: GERAGUYN KHORHURD PATGAMAVORAKAN AKUMB v. ARMENIA: Application no. 11721/04.  ECHR decision to communicate freedom to receive information case to Armenia: http://wkeim.bplaced.net/files/echr-11721-04.htm
  4. 10. July 2006: Sdruženi Jihoceské Matky v. Czech Republic, Application no. 19101/03 , Decision of  ECHR Admissibility of Access to information.http://merlin.obs.coe.int/iris/2006/9/article1.en.html
  5. Tabellarische Übersichten: Menschenrecht Informationsfreiheit im Bundesgesetzblatt (BGBl.): http://wkeim.bplaced.net/IFG.htm#Europarat 

 

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Anlage: Süddeutschland der Schandfleck bezüglich der Informationsfreiheit in Europa. Bild unten: Dunkelgrün: Informationsfreiheitsgesetz beschlossen. Hellgrün: Informationsfreiheit nur in Verfassung. Gelb: Gesetz in Vorbereitung. Access to Information Law = Informationsfreiheitsgesetz.

 

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