„Zugang zu
Informationen der Behörden ist ein fundamentales Menschenrecht, das
auf nationaler Ebene durch eine umfassende Gesetzgebung
gewährleistet sein muss, die auf dem Prinzip der größtmöglichen
Offenlegung basiert".
UN, OSZE und OAS Sonderbeauftragte für den
Schutz der Meinungsfreiheit 2004
in English on same subject: http://wkeim.bplaced.net/files/ifg-5-laender-en.htm
Walter Keim, Email: walter.keim@gmail.com
Almbergskleiva 64
NO-6657 Rindal,
den 29.8.2013
Landtagspräsident
Bayerischer Landtag
Maximilianeum
D-81627 München
Kopie: Landtagsfraktionen, Landespressekonferenz
Betreff: Akteneinsicht in das Wortprotokoll
des öffentlichen Teils des Mollath-Untersuchungsausschusses des
bayerischen Landtags
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich beziehe mich auf den Bericht der Nürnberger Zeitung: "Unwahre Aussage? Keine Ermittlungen gegen Mollath-Richter"(1):Die in der Presse wiedergegebene Aussage Brixners, er habe M. seit den 80er Jahren nicht mehr gesehen, sei „im Kontext der Fragestellung der Ausschussmitglieder so nicht gefallen“, teilte die Staatsanwaltschaft MünchenI mit. „Ausweislich der Protokolle“ habe Brixner „keine falschen Angaben gemacht“.Die schriftliche Zeugenaussage von Frau Heinemann hätte verlesen werden müssen, gemäß des Gesetzes über Untersuchungsausschüsse.
Unter berechtigtem Interesse ist dabei jedes verständliche, durch die Sachlage berechtigte schutzwürdige Interesse zu verstehen, das rechtlicher aber auch wirtschaftlicher oder ideeller Natur sein kann. (Anlage 4)
Schon seit 15 Jahren hat der UN-Sonderberichterstatters für freie
Meinungsäußerung (UN Special Rapporteur on the promotion and protection of
the right to freedom of opinion and expression) den
Menschenrechtscharakter des Zugangs zu öffentlichen Dokumenten betont z.
B. im Bericht E/CN.4/1998/40
vom 28 Januar 1998, der UN,
OSCE and AOS Joint Declaration vom 26. November 1999, dem Bericht E/CN.4/2000/63
vom 18 Januar 2000, der Gemeinsamen Erklärung vom 6.12.2004 der drei
Sonderbeauftragten (UN, OSCE und AOS) für den Schutz der
Meinungsfreiheit und dem Bericht A/HRC/14/23
vom 20 April 2010.
In den letzten 50 Jahren haben 59
Staaten den Zugang zu amtlichen Dokumenten in ihren Verfassungen
verankert. Die höchsten Gerichte in Japan (1969),
Indien (1975),
Kanada (1989),
Süd Korea (1989),
Israel (1990)
und Frankreich (2013)
haben den Zugang zu amtlichen Dokumenten aus der Verfassung oft aus der
Meinungsfreiheit hergeleitet. Die Open
Government Partnership umfasst umfangreiche Transparenz- und Open
Data Verpflichtungen. 57 Staaten sind beigetreten.
Der Zugang zu Dokumenten der öffentlichen Verwaltung ist nun ein
anerkanntes Menschenrecht gemäß Zivilpakt [6,
9, 10, 13] und der Rechtsprechung
des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte [11]
aufgrund der Europäischen Konvention für Menschenrechte (EKMR) [7],
wird international als Voraussetzung für die Demokratie angesehen und ist
wichtig im Kampf gegen Korruption [12].
In den Berichten
der UNESCO zum Universelle Periodische Überprüfung (Universal
Periodic Review) beim Menschenrechtsrat am 25.4.2013 werden
Informationsfreiheitsgesetze z. B. für Deutschland erwähnt.
Österreich empfahl Bahrain (A/HRC/WG.6/13/L.4):
"Enact a progressive, substantive Freedom of Information law". Auch Djibouti,
Ghana
empfingen diese Empfehlung.
125 Staaten (https://www.rti-rating.org/country-data/) mit mehr als 5,9 Milliarden Einwohnern, d. h. 84% der Weltbevölkerung haben entweder Informationsfreiheitsgesetze oder entsprechende Verfassungsbestimmungen und damit bessere generelle Einsichtsrechte (über den Anwendungsbereich von Verbraucherinformation und Umweltinformation hinaus) als Bayern.
Die Informationsfreiheit (einschließlich des Zugangs zu Dokumenten der öffentlichen Verwaltung) ist Teil der Meinungsfreiheit und durch international anerkannte Menschenrechte d. h. Artikel 19 des Internationaler Paktes über bürgerliche und politische Rechte (Zivilpakt, BGBl. 1973 II S. 1534) und Artikel 10 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte (BGBl. 1952 Teil II S. 685) geschützt, der nach Art. 59 (2) GG in ein Bundesgesetz transformiert wurden (Anlage B).
Der deutsche Rechtsanwender ist über Art. 20 Abs. 3 GG
(„die Rechtsprechung ist an Gesetz und Recht gebunden“) an die
transformierten Vorschriften des Völkerrechts gebunden. Aus der
Vorschrift folgt auch die Pflicht, sich mit Inhalt und Auslegung dieser
Vorschriften vertraut zu machen. Gemäß Art. 19
Abs. 4 GG steht jedem, der durch die öffentliche Gewalt in seinen
Rechten verletzt wird, der Rechtsweg offen. Dies gilt nicht nur für
Verletzungen der Grundrechte, sondern für alle in der deutschen
Rechtsordnung geschützten Rechte. Somit erfasst die Rechtsweggarantie
des Art. 19 Abs. 4 GG auch Fälle, in denen der Staat unmittelbar
wirksame internationale Menschenrechtsnormen verletzt, die gemäß Art. 59
Abs. 2 bzw. Art. 25 GG Bestandteil des innerstaatlichen Rechts
sind.
Artikel 10 der europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte schützt die Meinungsfreiheit und Informationsfreiheit (11). Folgende Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zum Zugang zu amtlichen Dokumenten liegen vor:
Dies erstreckt sich nach der Entscheidung BVerfG 2 BvR 1481/04 des Verfassungsgerichtes (Punkt 3) auf alle staatlichen Organe: "Die Bindungswirkung einer Entscheidung des EGMR erstreckt sich auf alle staatlichen Organe und verpflichtet diese grundsätzlich, im Rahmen ihrer Zuständigkeit und ohne Verstoß gegen die Bindung an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG) einen fortdauernden Konventionsverstoß zu beenden und einen konventionsgemäßen Zustand herzustellen." Dabei sind nicht nur einzelne Urteile, sondern die Rechtsprechung des EGMR einzubeziehen: "Sind für die Beurteilung eines Sachverhalts Entscheidungen des EGMR einschlägig, so sind grundsätzlich die vom Gerichtshof in seiner Abwägung berücksichtigten Aspekte auch in die verfassungsrechtliche Würdigung, namentlich die Verhältnismäßigkeitsprüfung einzubeziehen."
Die UN-Menschenrechtsverträge sind 2011 und 2012 durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gestärkt worden. Danach sind auch die UN Menschenrechtsverträge zur Auslegung der verfassungsmäßig garantierten Menschenrechte heranzuziehen, siehe BVerfG, Beschluss vom 23.03.2011, 2 BvR 882/09, und BVerfG, Urteil vom 18.7.2012, 1 BvL 10/10, 2 BvL 2/11. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ergibt sich aus der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes, dass das innerstaatliche Recht einschließlich seiner Verfassungsbestimmungen grundsätzlich völkerrechtskonform auszulegen ist.
Das Verwaltungsgericht München irrt im Urteil Az. M 17 K 12.3408 gegen die Anerkennung des Zugangs zu amtlichen Dokumenten in der Rechtsprechung der Jahre 2006 bis 2013 des Europäischen Gerichtshofes in Bayern:Diesem Ergebnis stehen auch Art. 10 EMRK und Art. 19 (2) IPbpR nicht entgegen: Diese Vorschriften beinhalten die Informationsfreiheit bzw. das Recht sich Informationen zu beschaffen. Ebenso wie die entsprechende Regelung in Art. 5 GG beziehen sich aber grundsätzlich nur auf allgemein zugängliche Informationen (vgl. BVerwG, U.v. 16.9.1980 - 1 C 52.75 - BVerwGE 61,15)Offensichtlich ist das fehlerhaft und es bleibt hier sowohl Logik als auch Vernunft auf der Strecke. Deshalb wurde Berufung eingelegt.
Die UN, OSZE und AOS Sonderbeauftragten für den Schutz der Meinungsfreiheit bestätigen in ihrer gemeinsamen Erklärung vom 6.12.2004, dass der Zugang zu amtlichen Informationen ein Menschenrecht ist: (Anlage 8):
„Zugang zu Informationen der Behörden ist ein fundamentales Menschenrecht, das auf nationaler Ebene durch eine umfassende Gesetzgebung gewährleistet sein muss, die auf dem Prinzip der größtmöglichen Offenlegung basiert."
Dies wird auch im "General Comment No. 34 on Article 19 of the ICCPR" (Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte, Zivilpakt) bestätigt (Anlage 9):
Die Antworten Bayerns ist auch interessant im Kontekst des Berichtes des Menschenrechtskommissars (Anlage E).
Die Bundesregierung hat dem Menschenrechtskommissar versichert, dass der Rang des EMRK berücksichtigt wird (Anlage A). Verweigerte Akteneinsicht würde dokumentieren, dass das nicht stimmt. Der Menschenrechtskommissar hat mit Bedauern festgestellt, dass Menschenrechte nicht im Kernbereich der Juristenausbildung vertreten ist. Deshalb wurde vorgeschlagen, Verwaltung und Richter in Menschenrechten zu schulen.125 Staaten (https://www.rti-rating.org/country-data/) mit mehr als 5,9 Milliarden Einwohnern haben entweder Informationsfreiheitsgesetze oder Verfassungsbestimmungen. Damit ist diese Menschenrecht in mehr als die Hälfte der Staaten und fast allen zivilisierten Staaten in der Welt realisiert das gemäß Art. 59 Abs. 2 GG Bestandteil des Bundesrechts ist. "Die Entstehung von universellem Völkergewohnheitsrecht erfordert zwar nicht, daß einem Völkerrechtssatz ausnahmslos alle Staaten ausdrücklich oder durch konkludente Handlung zugestimmt haben. Dieses Völkergewohnheitsrecht muß aber auf einer allgemeinen, gefestigten Übung zahlreicher Staaten beruhen, der die Rechtsüberzeugung zugrunde liegt, daß dieses Verhalten Rechtens sei" (vgl. BVerfGE 92, 277 <320> und BVerfGE 66, 39 [64 f.]; 68, 1 [83], vgl. International Court of Justice, Reports 1969, S. 41 ff. - Festlandsockel-Fall; BVerfGE 46, 342 [367] m. w. N.).
Während sich in entwickelten und zivilisierten Ländern weltweit also die Informationsfreiheit durchgesetzt hat, ist in Deutschland das Verhältnis zwischen Amtsgeheimnis und Informationsfreiheit im Wandel begriffen. In 11 Bundesländern gilt der allgemeine Aktenzugang durch ein Informationsfreiheitsgesetz. In 5 Bundesländern fehlt ein IFG.
Die rechtliche Lage bezüglich der Informationsfreiheit vor der Verabschiedung von Informationsfreiheitsgesetzen gestaltete sich so:
Die Informationsfreiheit (Rezipientenfreiheit) ist im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland garantiert (Art.5 Abs.1 S.1, 2.Hs GG).
"Allgemein zugänglich" sind dabei solche Informationsquellen, die technisch geeignet und bestimmt sind, der Allgemeinheit Informationen zu verschaffen (BVerfGE 27, 71 - Leipziger Volkszeitung).
BVerfGE 103, 44 (61): "Legt der Gesetzgeber die Art der Zugänglichkeit von staatlichen Vorgängen und damit zugleich das Ausmaß der Öffnung dieser Informationsquelle fest, so wird in diesem Umfang zugleich der Schutzbereich der Informationsfreiheit eröffnet." Beispielsweise normiert § 169 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) für die ordentliche Gerichtsbarkeit den Grundsatz der Gerichtsöffentlichkeit. Hier liegt ein öffentlicher Ausschuss vor.
Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes und von 11 Bundesländern schafft einen solches "Jedermannsrecht" auf voraussetzungslosen Zugang zu Dokumenten der öffentlichen Verwaltung.
Die Verabschiedung von Informationsfreiheitsgesetzen bedeutet einen Paradigmenwechsel aus dem folgende neue Situation (aus Anlage F: Seminararbeit zum Wandel von Amtsgeheimnis und Informationsfreiheit) entsteht:
"Wie bereits dargelegt begründet das Grundrecht auf Informationsfreiheit für sich genommen keinen Informationszugangsanspruch. Nur i. V. m. zusätzlichen rechtlichen Verpflichtungen amtlicher Stellen, Zugang zu bestimmten Informationsquellen zu gewähren, werden diese Informationsquellen zu allgemein zugänglichen Quellen i. S. d. Art. 5 I 1, 2. Hs. GG. Verpflichtungen dieser Art sind insbesondere als gesetzliche Konkretisierungen des Rechtsstaats- oder des Demokratieprinzips denkbar (Vgl. BVerfGE 103, 44 (63 f.)). Als eine ebensolche Ausformung ist die Verpflichtung zur Informationszugangsgewährung nach dem IFG anzusehen, womit eine Verwehrung des Informationszugangsrechts durch eine verpflichtete Stelle als Eingriff in das Grundrecht auf Informationsfreiheit zu qualifizieren wäre" (Vgl. BVerfGE 103, 44 (61).).
Zusammenfassend ergibt sich folgendes Resultat: "Das IFG bedeutet die Abkehr vom alten und morschen Grundsatz des allg. Amtsgeheimnisses, das in Zeiten von Volksherrschaft und Informationsgesellschaft einen krassen Anachronismus darstellte. Die Informations(zugangs-) freiheit ist die Grundlage der demokratischen Meinungsbildung und das notwendige Gegenstück zur Meinungsfreiheit sowie zum Datenschutz".
Quelle: Zitiert aus Seminararbeit zum Wandel von Amtsgeheimnis und Informationsfreiheit (Anlage F).
Nachdem das IFG im Bund am 1.1.06 in Kraft trat verabschiedeten Hamburg (29.3.06), Bremen (11.5.06) und Mecklenburg-Vorpommern (27.6.06, Drucksache 4/2117) und das Saarland (12.7.06, Drucksache 13/758), Thüringen, Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz Informationsfreiheitsgesetze. Damit haben 11 Bundesländer Informationsfreiheitsgesetze.
In Bundesländern ohne Informationsfreiheitsgesetz ist Informationszugangsgewährung nach Zivilpakt und der Rechtsprechung des EGMR als Verpflichtung anzusehen, die Dokumente der öffentlichen Verwaltung "Allgemein zugänglich" macht.
Laut Artikel 1 (2) GG sind die "unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten (...) Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft", was ich bei der Frage der Einsichtsgewährung bitte zu berücksichtigen. Ich hoffe Bayern bietet die Gewähr dafür sich jederzeit für die unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechte einzusetzen. Artikel 46 der Konvention für Menschenrechte lautet "Die Hohen Vertragsparteien verpflichten sich, in allen Rechtssachen, in denen sie Partei sind, das endgültige Urteil des Gerichtshofs zu befolgen." Damit ist das Menschenrecht des Zugang zu Informationen der öffentlichen Verwaltung auch in Deutschland juristisch durchsetzbar.
Mit freundlichen Grüßen
Walter Keim
Kopie: Landespressekonferenz, Deutscher Presserat (Ist der Handlungsbedarf zu übersehen?), 4 Bundesländer ohne Informationsfreiheitsgesetze, Fraktionen Landtag Bayern
Anlagen:
Antworten:
Entwicklung:
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Anlage: Süddeutschland der Schandfleck bezüglich der Informationsfreiheit in Europa. Bild unten: Dunkelgrün: Informationsfreiheitsgesetz beschlossen. Hellgrün: Informationsfreiheit nur in Verfassung. Gelb: Gesetz in Vorbereitung. Access to Information Law = Informationsfreiheitsgesetz.