on same subject in English: http://wkeim.bplaced.net/files/ifg-result.htm
Wird sich der Gedanke des "Raums der Freiheit" (KOM (2002) 247) mit "Garantien für die Achtung (...) der Menschenrechte" in Europa (Agentur der Europäischen Union für Grundrechte COM(2005)280 auch in Sachsen-Anhalt durchsetzen?
Walter Keim, Email: walter.keim@gmail.com
Torshaugv. 2 C
N-7020 Trondheim, den 11.4.2007
Landtag Sachsen-Anhalt
Petitionsausschuss
Domplatz 6-9
D-39104 Magdeburg
Betreff: Zwar verspricht Regierung IFG Entwurf, aber wird
Verbraucherinformationsgesetz und Vorschlag das Menschenrecht der
Informationsfreiheit in Verfassung zu verankern bei Behandlung
der Petition Nr.
5-I/113 berücksichtigt werden?
Sehr geehrte Frau Weiß,
Ich danke Ihnen für Ihren Brief vom 4.4.07 in dem Sie mitteilen, dass die Petition Nr. 5-I/113 an mehrer Ausschüsse weitergeleitet wurde. Am 24.1.07 wurde im Ausschuss versichert, dass die Landesregierung noch vor der Sommerpause einen Entwurf im Landtag einbringen wird. Die Weitersendung an die Regierung wurde abgelehnt. Weiter wurde vom Gesetzesvorschlag zum Informationsfreiheitsgesetz Drs. 5/24 berichtet. "Der Petitionsausschuss empfiehlt (am 29.3.07) dem Landtag, das Petitionsverfahren abzuschließen, da die Ausführungen bei der weiteren parlamentarischen Berücksichtigung finden werden."
In Schleswig-Holstein, Berlin, im Bund und in Hamburg hat das Parlament selber IFG Entwürfe eingebracht. Auch die CDU in Thüringen wird ihren eigenen Gesetzentwurf im Landtag einbringen. Auch in NRW, Hamburg, Bremen und im Saarland war die CDU bei Informationsfreiheitsgesetzen beteiligt. Das Innenministerium in Rheinland-Pfalz arbeitet am Entwurf eines IFG. Ende 2007 werden vorrausichtlich 11 Bundesländer Informationsfreiheitsgesetze verabschiedet haben.
Die Petitionsbehandlung ist diesmal besser und behandelt das Anliegen Informationsfreiheitsgesetz (IFG) meiner Petition 5-I/563 vom 20.9.05 über ein Informationsfreiheitsgesetz. Natürlich schätze ich die gründliche Behandlung in mehreren Ausschüssen. Ich begrüße und es freut mich, dass ein Vorschlag für ein Informationsfreiheitsgesetz in Aussicht gestellt wurde.
Zwar ist in der neuen Nr. 5-I/113 vom 23.1.2007 durch einen Kopiefehler in der Beschreibung der Datei das Wort Informationsfreiheitsgesetz reingerutscht, aber im Text ist das Wort nicht enthalten.
Das in der neuen Petition Nr. 5-I/113 vom 23.1.2007 angesprochenes Thema Verbraucherinformationsgesetz (VIG) und die Verankerung der Informationsfreiheit in der Verfassung ist bisher nicht angesprochen und wird auch in der weiteren parlamentarischen Behandlung eines Informationsfreiheitsgesetzes wohl keine Behandlung finden können. Insbesondere der in meiner Petition vom 20.9.05 angesprochenen Menschenrechtscharakter des Zugangs zu Dokumenten der öffentlichen Verwaltung bleibt sachlich ungeprüft.
Am 4.4.07 hat das Bundeskabinett ein neues VIG beschlossen. Dabei gilt das Gesetz "gilt im Falle einer Gemeinde oder eines Gemeindeverbandes nur, wenn der Gemeinde oder dem Gemeindeverband die Aufgaben nach diesem Gesetz durch Landesrecht übertragen worden sind." Damit sind alle Bundesländer auch Sachsen-Anhalt gefordert zum neuen Verbraucherinformationsgesetz Stellung zu nehmen.
Ich habe die Diskussion zum Gesetzentwurf Drs. 5/24 und auch Drs. 4/1136 auf der von Ihnen vorgeschlagene Seite http://www.landtag.sachsen-anhalt.de zu Informationsfreiheitsgesetzen schon seit 2005 verfolgt und kann nicht sehen, dass dabei das Verbraucherinformationsgesetz, der Menschenrechtscharakter der Informationsfreiheit noch die Frage der verfassungsrechtlichen Verankerung diskutiert werden.
Ich möchte zunächst darstellen, wie die anderen 12 Bundesländer die Petition vom 20.9.05 behandelt haben und dann die Behandlung in Sachsen-Anhalt am Petitionsrecht und der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts messen.
Hamburg (29.3.06), Bremen (11.5.06) und Mecklenburg-Vorpommern (27.6.06, Drucksache 4/2117) und das Saarland (Drucksache 13/758) verabschiedeten Informationsfreiheitsgesetze im Zeitraum meiner Petition. Hessen und Thüringen Gesetzentwürfe in der parlamentarischen Behandlung. Damit haben fast alle Nachbarn Sachsen-Anhalts Gesetze verabschiedet oder in der parlamentarischen Beratung. Die Regierung in Rheinland-Pfalz arbeitet am Entwurf zu einem Informationsfreiheitsgesetz. Der Landtag stellte meine Petition so lange in Beruh, bis das Gesetz verabschiedet ist.
Sowohl der Petitionsausschuss von Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen, Rheinland-Pfalz als auch das Sozialministerium Baden-Württemberg, die Innenministerien in Hessen, in Bayern und das Justizministerium in Sachsen haben Stellungnahmen der Regierung zukommen lassen.
Damit ist die Behandlung der neuen Petition Nr. 5-I/113 in Sachsen-Anhalt auf die Höhe anderer Bundesländer gehoben wird möchte ich anregen, die Petition Nr. 5-I/113 der Regierung zur Stellungnahme zuzusenden.
Ich beziehe mich dabei auf das in Artikel 17 des Grundgesetzes garantierte Petitionsrecht: "Jedermann hat das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden" die nach (BVerfGE 2, 225 <230> [= 1 BvR 162/51] vom 22. April 1953 und 1 BvR 1553/90 vom 15.5.92) einer sachlichen Prüfung bedarf.
Die Petitionsbehandlung hat bisher keine sachlichen Prüfung gemacht die den Menschenrechtscharakters der Informationsfreiheit beinhaltet. Dadurch wurde auch gegen den Beschluss des Verfassungsgerichts BVerfG 2 BvR 1481/04 verstoßen, sich mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) auseinanderzusetzen. Die Dokumentation des Landtages und die bisherige Diskussion im Landtag zeigen, dass keineswegs Grundrechte genannt wurden, die die Rechtsprechung des EGMR zur Seite setzen können.
Die Informationsfreiheit macht das Verwaltungshandeln transparenter, indem Bürger Zugang zu behördlichen Dokumenten und Informationen bekommen. Die demokratischen Beteiligungsrechte der Bürger werden gestärkt gemäß dem Leitprojekt des Programms Moderner Staat - moderne Verwaltung unter Berücksichtigung des Datenschutzes. Dieses Bürger- und Menschenrecht wird im Informationszeitalter als Teil der Demokratie verstanden und ist in über 70 Staaten der Welt z. B. auch in Brandenburg (Art. 21 (4)) in der Verfassung verankert.
Eines der wichtigsten Argumente für die Einführung der Transparenz staatlichen Handelns mit Hilfe der Informationsfreiheit ist das Vertrauen in den Staat zu stärken. Misstrauen kann abgebaut werden. Das ist dringend notwendig, da die Deutschen ein "Volk ohne Vertrauen sind": 80 % Misstrauen gegenüber der Politik.
Die Informationsfreiheit (einschließlich des Zugangs zu Dokumenten der öffentlichen Verwaltung) ist Teil der Meinungsfreiheit und auch durch international anerkannte Menschenrechte speziell des Artikel 19 des Internationaler Paktes über bürgerliche und politische Rechte (IPbürgR, BGBl. 1973 II S. 1534) geschützt.
In ca. 70 Staaten ist der Zugang zu Dokumenten der öffentlichen Verwaltung in der Verfassung verankert. Weitere ca. 40 Staaten haben dieses Menschenrecht gesetzlich verankert. Damit ist diese Menschenrecht in mehr als die Hälfte der Staaten und fast allen zivilisierten Staaten in der Welt realisiert das gemäß Art. 59 Abs. 2 GG Bestandteil des Bundesrechts ist. "Die Entstehung von universellem Völkergewohnheitsrecht erfordert zwar nicht, daß einem Völkerrechtssatz ausnahmslos alle Staaten ausdrücklich oder durch konkludente Handlung zugestimmt haben. Dieses Völkergewohnheitsrecht muß aber auf einer allgemeinen, gefestigten Übung zahlreicher Staaten beruhen, der die Rechtsüberzeugung zugrunde liegt, daß dieses Verhalten Rechtens sei" (vgl. BVerfGE 92, 277 <320> und BVerfGE 66, 39 [64 f.]; 68, 1 [83], vgl. International Court of Justice, Reports 1969, S. 41 ff. - Festlandsockel-Fall; BVerfGE 46, 342 [367] m. w. N.).
Auch Artikel 10 der europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte (EKMR, BGBl. 1952 Teil II S. 685) schützt die Meinungsfreiheit und Informationsfreiheit. Im Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (Fünfte Sektion), Rechtssache Sdrueni Jihoceské Matky gegen Tschechische Republik, Antrag Nr. 19101/03 vom 10. Juli 2006 wurde "eine ausdrückliche und unleugbare Anerkennung der Anwendung von Artikel 10 im Falle einer Verweigerung eines Antrags auf Zugang zu öffentlichen oder behördlichen Dokumenten enthält". Auch die Rechtssache GERAGUYN KHORHURD PATGAMAVORAKAN AKUMB v. ARMENIA: Antrag Nr. 11721/04 vom 11. April 2006 bestätigt diese Rechtsprechung.
Die Bindungswirkung des EGMR erstreckt sich nach der Entscheidung BVerfG 2 BvR 1481/04 des Verfassungsgerichtes (Punkt 3) auf alle staatlichen Organe: "Die Bindungswirkung einer Entscheidung des EGMR erstreckt sich auf alle staatlichen Organe und verpflichtet diese grundsätzlich, im Rahmen ihrer Zuständigkeit und ohne Verstoß gegen die Bindung an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG) einen fortdauernden Konventionsverstoß zu beenden und einen konventionsgemäßen Zustand herzustellen." Damit haben sowohl der Petitionsausschuss, die Regierung und der Landtag eine verfassungsrechtlich begründete Pflicht, sich mit der Rechtsprechung des EGMR bezüglich des Menschenrechts der Informationsfreiheit auseinanderzusetzen.
Der Präsident des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), Luzius Wildhaber, hat Deutschland zur Umsetzung der Straßburger Urteile ermahnt: Deutschland solle sich "näher mit dem System der Menschenrechtskonvention befassen", sagte Wildhaber am 8.12.06 im Gespräch mit der Nachrichtenagentur AFP. Es gebe offensichtlich "einige Wissenslücken", auch bei deutschen Richtern, betonte der 69-jährige Schweizer, der den Straßburger Gerichtshof im Januar aus Altersgründen verlassen wird. Wildhaber verwies auf Artikel 46 der Europäischen Menschenrechtskonvention. Darin sei unmissverständlich festgelegt, dass die Unterzeichnerstaaten die endgültigen Urteile des Gerichtshofs "befolgen" müssen. Der Zugang zu Dokumenten der öffentlichen Verwaltung ist nach der neuesten Rechtsprechung des EGMR ein Menschenrecht.
Auch der Europarat hat in seiner "Empfehlung Rec(2004)6 über die Verbesserung der innerstaatlichen Rechtsbehelfe" gefordert, den EGMR zu entlasten, indem die Rechtsprechung des EGMR bekannter gemacht und mehr beachtet wird.
Der Europarat schlägt in der Empfehlung Rec(2004)5 über die "Überprüfung der Vereinbarkeit von Gesetzentwürfen mit der EKMR den Mitgliedstaaten" vor, unter Berücksichtigung der im Anhang aufgeführten Beispiele einer guten Praxis:
I. dafür Sorge zu tragen, dass angemessene und wirksame Mechanismen bestehen, um
die Vereinbarkeit von Gesetzentwürfen mit der Konvention im Lichte der Rechtsprechung
des Gerichtshofs systematisch zu überprüfen;
II. dafür Sorge zu tragen, dass solche Mechanismen bestehen, um bei Bedarf die Vereinbarkeit
der geltenden Gesetze und der Verwaltungspraktiken, wie sie insbesondere in
Verordnungen, Erlassen und Rundschreiben zum Ausdruck kommen, zu überprüfen;
III. für eine möglichst umgehende Anpassung ihrer Gesetze und Verwaltungspraktiken Sorge
zu tragen, um Konventionsverletzungen zu vermeiden;
Aufgrund der vielen Akteneinsichten in Schreiben der Landesregierungen und des Bundesinnenministeriums weiß ich dass die deutsche Ministerialbürokratie das Menschenrecht Informationsfreiheit ignoriert. Der Europarat unterstützt Parlamente und Regierungen mit Experten, die Hilfe oder Evaluierungen bei der Ausarbeitung von Gesetzen wünschen.
Im Artikel 20 GG steht: "Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus" und die "vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an" (das von der gewählte Volksvertretung beschlossene) "Gesetz und Recht gebunden". Damit ist auch in Sachsen-Anhalt eine Demokratie europäischen Typs möglich und die Mehrheit der Abgeordneten trägt die volle Verantwortung das zu verwirklichen.
Mit freundlichen Grüßen
Walter Keim
Kopie: Kopien auch an 8 Bundesländer ohne Informationsfreiheitsgesetze
Antwort:
Organisation | Name mit Link | Über- setzung |
Generalversammlung, 10.12. 1948 | Allgemeine Erklärung der Menschenrechte: Artikel 19: ...Freiheit ... "Informationen (...) zu suchen, zu empfangen und zu verbreiten." | English |
Vereinte Nationen, 1966 | Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte. (BGBl. 1973 II S. 1534) Artikel 19: Freiheit ... "Informationen (...) sich zu beschaffen, zu empfangen und weiterzugeben." | English |
Europa UNECE, 1998 | United Nations Economic Commission for Europe: Umweltschutz: Die Aarhus Konvention: http://www.unece.org/env/pp/acig.htm | English |
COMMISSION ON HUMAN RIGHTS, 1998 | E/CN.4/1998/40, 28 January 1998: Promotion and protection of the right to freedom of opinion and expression Report of the Special Rapporteur, Mr. Abid Hussain, submitted pursuant to Commission on Human Rights resolution 1997/26: III A | |
COMMISSION ON HUMAN RIGHTS, 2000 | E/CN.4/2000/63, 18 January 2000: Report of the Special Rapporteur on the promotion and protection of the right to freedom of opinion and expression, Mr. Abid Hussain, submitted in accordance with Commission resolution 1999/36: III B | |
UN Special Rapporteur, 2004 | JOINT DECLARATION by the UN Special Rapporteur on Freedom of Opinion and Expression, the OSCE Representative on Freedom of the Media and the OAS Special Rapporteur on Freedom of Expression: http://merlin.obs.coe.int/iris/2005/2/article1: "The right to access information held by public authorities is a fundamental human right" |
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Anlage: Süddeutschland der Schandfleck bezüglich der Informationsfreiheit in Europa. Bild unten: Dunkelgrün: Informationsfreiheitsgesetz beschlossen. Hellgrün: Informationsfreiheit nur in Verfassung. Gelb: Gesetz in Vorbereitung. Access to Information Law = Informationsfreiheitsgesetz.